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Art Stage Singapore: Kunstpolitik mit dem Taschenrechner

"We are Asia" behauptet die Art Stage Singapore selbstbewusst. Das ist die Messe tatsächlich – im Guten wie im Schlechten. Eine Kunstmesse mit 173 Ausstellern (inklusive Institutionen), die zu drei Vierteln aus Asien stammen und zu 38 Prozent aus der Region, darf durchaus eine gewisse Bedeutung für sich behaupten. So viele Kojen wollen allerdings erst einmal verkauft sein, und da beginnt das Problem. Das westliche Galeriesystem hat sich in keinem der neuen asiatischen Märkte als dominierendes Modell durchsetzen können. Die bekanntesten Künstler verhandeln in der Regel direkt mit den wichtigsten Sammlern. Entstprechend schwach sind die Auftritte der Galerien auf der Messe. Freude an der Farbe gibt es in den Geschmacksrichtungen abstrakt und figurativ. Am interessantesten ist hier die kuratierte Sektion. "Sensing the City - Art in the Urban Age" ist nicht zufällig das Motto des Begleitprogramms der aktuellen Art Stage Singapore. Das Thema ist weltweit im Schwange, und wo ließe es sich besser darüber diskutieren als in Singapur, einem boomenden Stadtstaat? Zumal der sich gerade dazu aufzuschwingen schien, sich nicht nur als wirtschaftlicher, sondern auch als kultureller Hotspot Südostasiens (Thailand, Philippinen, Malysia, Indonesien) zu positionieren. Spätestens mit ihrer sechsten Ausgabe ist die Messe jedoch in der kulturwirtschaftlichen Realität angekommen. Beispielhaft für den unrunden Lauf kann die Gesprächsrunde mit Berlins Kulturstaatssekretär Tim Renner stehen. Die Veranstaltung beginnt nicht nur ohne Erklärung oder Entschuldigung eine halbe Stunde zu spät, der Moderator führt den umstrittenen Politiker mit der Frage ein: "Tim, was machst Du so richtig, dass jeder Berlin mit Kreativität verbindet?" In Berlin hätte er dafür im besten Fall schallendes Gelächter geerntet. Denn dort ist es mehr als ein offenes Geheimnis, dass die künstlerische Karawane längst weitergezogen ist. Für den Mann aus der Musikindustrie besteht die Kultur hingegen offenkundig aus den sogenannten Creative Industries, unter die auch die gesamte Startup-Szene fällt. Genau diesem Irrtum scheint Singapur gleichfalls zu unterliegen. Spätestens seit einem Regierungswechsel im letzten Jahr macht man hier Kunstpolitik mit dem Taschenrechner. Das mag angemessen erscheinen: Singapurs Raffinerien versorgen die gesamte Region mit Erdölprodukten - die wirtschaftliche Lage ist entsprechend angespannt. Eine Kunstmesse kann noch so gut gemanaged sein; wenn das Umfeld nicht stimmt, wird sie es schwer haben, eine Wirkung über den Veranstaltungsort hinaus zu entwickeln. Das Galerienquartier Gilman Beracks befindet sich wegen fehlender Unterstützung im Niedergang, die nächste Singapur Biennale droht zum Kollateralschaden eines Übernahmekampfs zweier Museen zu verkommen. Westliche Galerien finden sich in diesem Umfeld schnell zwischen allen Stühlen wieder. Das Angebot spricht zumeist von einer gewissen Ratlosigkeit. Einige große Galerien versagen der Messe aktuell die Unterstützung. Die anderen probieren sich an den unterschiedlichsten Konzepten. Forsblom aus Helsinki bespielt seinen riesigen Stand ausschließlich mit Arbeiten von Manolo Valdes, die ab 200.000 Euro kosten. Der Verkauf einer Arbeit (an einen Kunden der Galerie) reichte aus, um die Teilnahme zu finanzieren. Erstteilnehmer Sakurado Fine Arts Setzt ganz auf Yayoi Kusama, eine Marke, die überall zieht. Am vorletzten Tag der Messe klebten schon unter acht Arbeiten rote Punkte, bei Preisen ab 90.000 US-Dollar. Nicht etablierte Kunst hat es hingegen schwer. Kunst wird in Asien eben viel mehr als Geldanlage oder Spekulationsobjekt gesehen. In schwierigen Zeiten und mit schwachen Institutionen haben es Galeristen nirgendwo leicht.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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Art Stage Singapore
21 - 24.01.2016

Marina Bay Sands Exhibition and Convention Centre
018956 Singapur, 10 Bayfront Avenue
Tel: +65 6688 8868
http://www.marinabaysands.com


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