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Ruhe vor dem Sturm. Postminimalistische Kunst aus dem Rheinland: Als Minimal nach Deutschland kam

Die Arbeit entspricht schlicht dem, was man als programmatisch bezeichnen darf: Die Leinwand zeigt das Raster von 6 x 6 in blau-tönen bemalten, niederländischen Kacheln, ganz einschlägig ein Schiff im Wechsel mit einem ornamentalen Motiv, darunter in vergrößerten Schreibmaschinenlettern der Titel „Carl Andre in Delft“. Minimal trifft hier in Sigmar Polkes Arbeit aus dem Jahr 1968 auf rheinischen Humor. „Ruhe vor dem Sturm – Postminimalistische Kunst aus dem Rheinland“, nennt sich die Schau im Museum Morsbroich, die 19 Positionen, darunter immerhin auch vier Frauen, zusammenfasst und den Blick auf eine Zeit wirft, in der im Rheinland mit der Kunst und deren Markt alles noch im Aufstreben war. Konrad Fischer, der vier Jahre zuvor noch als Konrad Lueg gemeinsam mit Gerhard Richter durch die Aktion „Leben mit Pop – eine Demonstration für den kapitalistischen Realismus“ eine neue Kunstrichtung eingeläutet hatte, eröffnete 1967 mit einer Präsentation von Carl Andre seine eigene Galerie. Kasper König, damals in New York, vermittelte die Kontakte zu den Künstlern und so sollten sich noch allerlei klingende Namen in Düsseldorf ein Stelldichein geben. Die Minimal Art, die so über den großen Teich schwappte, lebte vielfach von industriell gefertigten Materialien, oftmals von der Serialität, auch von der technischen Umsetzung der Idee durch Handwerker. Joseph Beuys, allen voran, setzte das Prinzip auf seine ureigenste Weise um, seine Schüler wie Imi Knoebel, Imi Giese oder Blinky Palermo, aber auch Absolventen anderer Klassen an der Düsseldorfer Akademie wie Gerhard Richter oder Reiner Ruthenbeck sorgten für eine weite Verbreitung dieser Minimalistischen Tendenzen und sie tun es bis heute. Aus Fundstücken vom Schrottplatz werden mit Meusers poetischen Titeln Arbeiten wie „Lettisches Wodkaboard“ (2015), Erinna König fügt Baustahl einen Holzrahmen und ein löchriges Stück Frottier zu „Sternenhimmel zum Quadrat (1981) und Thomas Schütte arrangiert diverse farbig gefasste Platten aus diversen Materialien im Doppelpack zu „Paare“ (1977-80). Das alles mag konzeptionell streng gedacht sein, ausgeführt im Raum und mit Titel versehen, gerät es dann in eine hinreißende Leichtigkeit. Die Räume in Schloss Morsbroich scheinen nachgerade ideal für diese Fülle an präzis wie heiteren Arbeiten. Jeder von ihnen, ob nun historisch oder neueren Datums, wird genügend Raum zugestanden, dennoch lässt sich ein Netzwerk an Bezügen herstellen. Auch der Katalog zelebriert nicht die Einzelpositionen, sondern lenkt den Blick auf das gesamte Phänomen und liefert zudem einen Einblick in die Ausstellungs- und Rezeptionsgeschichte im Rheinland der späten 60er und frühen 70er Jahre. Wenn es etwas an dieser wunderbaren Ausstellung zu kritisieren gibt, ist es einzig der Titel. Nein, dem Vernehmen nach bezieht er sich nicht auf das eingangs beschriebene Werk von Sigmar Polke, sondern auf die Postmoderne. Das Bild mit der Titulatur funktioniert nicht ganz, denn wie Schau samt Publikation vorführt, reagiert man im Rheinland eher intensiv und was die Werke der Künstler betrifft durchaus nachhaltig auf die Minimal Art.
Mehr Texte von Daniela Gregori

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Ruhe vor dem Sturm. Postminimalistische Kunst aus dem Rheinland
13.09.2015 - 10.01.2016

Museum Morsbroich
51377 Leverkusen, Gustav-Heinemann-Str. 80
Tel: +49 (0)214 85556-0, Fax: +49 (0)214 85556-44
Email: museum-morsbroich@kulturstadtlev.de
http://www.museum-morsbroich.de
Öffnungszeiten: Di-So 11-7 h


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