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Dialog

Nicht weniger als vierzig Studioausstellungen sind momentan im Frankfurter Städel aufgebaut. Man leistet sie sich zum Jubiläum, 200 Jahre ist die Paradegründung aus dem Geist des nazarenischen Bilderkultes gerade alt geworden. Dass es mit der Sache der Kunst, großgeschrieben und großartig, im Kollektivsingular verstanden, aufgeladen mit Emphase, zu aller Autorität in der Lage, immer noch ziemlich weit her sein kann, zeigt man auf das Eindrücklichste. Museen darben ja gern am Ungleichgewicht von Sonder- zu Dauerausstellung. Zur einen rennen die Leute hin, die andere können sie immer noch besuchen, was sie dann aber nie tun. Das Städel hat seine vierzig Vorzeigesituationen in die ständige Sammlung integriert, und ganz selbstverständlich wird der Gesamtbestand des Hauses zum Exponat. Das ist so klug wie wohlfeil zu haben. Selten war ein Museum so voll, und zwar das gesamte, vom Souterrain, wo die Gegenwart, übers Erdgeschoss, wo die Grafische Sammlung, zum ersten Stock, wo die klassische Moderne, bis zur nächsten Etage, wo die Altmeisterkollektion zu sehen ist. So ergibt sich ein Vis-à-vis: Jan van Eycks sogenannte „Lucca-Madonna“ hat also die „Verkündigung“ der National Gallery in Washington zu Besuch (für Kenner: Es ist diejenige, an der Erwin Panofsky seine These vom „Disguised Symbolism“ durchexerzierte, von jener versteckten Symbolik, die das Überirdische dadurch dingfest macht, dass in van Eycks Kirchenraum die gotischen Formen zuunterst der romanischen zu sehen sind, die chronologischen Verhältnisse also umgekehrt sind – wenn schon eine Leihgabe, dann eine einschlägige!). Zu Rembrandts „Blendung Simsons“ gesellt sich Artemisia Gentileschis „Judith“ (die vor einigen Monaten in der Gemäldegalerie der Akademie in Wien zu sehen war und also weitergewandert ist). Und zu Daniel Richters Straßenkämpfern aus Städel-Besitz rotten sich nun die Kombattanten aus dem Leipziger Museum für bildende Künste. Ausstellungsansicht "Dialog der Meisterwerke. Hoher Besuch zum Jubiläum" Foto: Städel Museum Es gibt auch ausgewachsene Räume, und der „Dialog der Meisterwerke“, so der Titel der Veranstaltung, wird gleich zur Konferenz. Tischbeins „Goethe in der Campagne“ wird als die Ikone behandelt, die sie, bei aller Schlechtgemaltheit, längst ist und bekommt Gesellschaft von Warhols Version, von diversen Denkmalentwürfen und genauso von Illustriertencovers, die sich der unbequem liegenden Heroengestalt angenommen haben. Vielleicht der schönste Raum ist der Künstlerfreundschaft von Otto Dix und Hugo Erfurth gewidmet, ein Geben und Nehmen in schönster Gattungsbezogenheit, der eine malt das Porträt des Kollegen, der andere fotografiert es, und so schaffen sie ein Album veristischer Poesie. Eine Kombination noch: Die Eins-zu-eins-Kopie von Géricaults Monumentalformat des „Floß der Medusa“ ist mit Studien zum Thema von Martin Kippenberger, einem Video von Muntean/Rosenblum und den auf den französischen Romantiker abonnierten Arbeiten von Dierk Schmidt zusammen gekommen. Das Prinzip ist jedenfalls so einfach wie wirkungsvoll. Man fettet die eigene Sammlung auf, indem man sich Leihgaben organisiert, die dazu dann eine perfekte Ergänzung liefern: Punktuell, auf einzelne Werke bezogen, als Supplement, als Komplement. Und als Kompliment für eine herausragende kuratorische Geste. www.staedelmuseum.de
Mehr Texte von Rainer Metzger

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