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2. Berliner Herbstsalon: Flüchtig?

Der 2. Herbstsalon des Berliner Gorki-Theater zeigt Kunst und Performances zum Thema „Flucht“. Die Veranstaltung überzeugt letztlich nicht, denn zu unterschiedlich ist die Qualität der ausgewählten Arbeiten, sie stellt aber zumindest eine wichtige Frage: Wie „ästhetisch“ muss bzw. darf politische Kunst sein? „Warum sollte Kunst politisch sein? Diesen Job erledigen Illustratoren“, plapperte Frank Stella jüngst in einem Interview mit dem Magazin „art“ recht(s) dümmlich daher. Die „Illustratoren“ des 2. Herbstsalon im Gorki-Theater setzen sich angesichts der aktuellen „Flüchtlingskrise“ - wie kann der eventuelle Zuwachs der deutschen Bevölkerung um etwa 1% eine Krise sein? - mit dem Thema Flucht in überaus unterschiedlicher Weise auseinander. Das Spektrum der gezeigten Arbeiten reicht von autonomen Kunstwerken über artivistischen Performances bis hin zu reinen Dokumentationen. Genau dieses Spektrum könnte angesichts des unterschiedlichen Grades, den diese Arbeiten an Ästhetisierung da aufweisen, eine Reflexion über politische Kunst in Gang bringen, die weit über das vorgestellte Thema hinausreicht. Da ist z. B. Alfredo Jaars Neoninstallation „(Kindness) of (Strangers)“ 2015, deren hell erleuchte Neonlinien vor schwarzem Grund auf dem ersten Blick an eine tachistische Zeichnung erinnern, sich dann aber als die Darstellung der Hauptrouten von Flüchtlingen dieses Jahr in Europa erweist. Doch was erzählt diese zugegebene sehr schöne Arbeit tatsächlich über das Leid dieser Flüchtlinge? Ganz anders die Performance „1. Europäischer Mauerfall“, 2014, des „Zentrums für politische Schönheit“. Ihre hier als Video vorgestellte Aktion, in der das „ZPS“ Kreuze, die in Berlin an „Mauertote“ aus der DDR-Zeit erinnern, aus der Spreemetropole ent/Wendet haben, um sie dann an EU-Aussengrenzen zu bringen und so an die Flüchtlingstote dort zu gemahnen, steht einerseits klar in kunsthistorischen Tradition, z. B. der von der New Yorker Künstlergruppe „Guerilla Art Action Group“, andererseits hat sie auch außerhalb des Kunstbetriebs schon relativ früh die Diskussion um die Tragik der 1000den Flüchtlingstoten im Mittelmeer angeregt. Rein dokumentarisch dagegen agiert die Wandarbeit „Dead Fouls/German Money and Migration Politics in the World“, 2014, von Marina Naprushinka. Die Arbeit zeigt als großformatige Tapete die aktuellen EU-Grenzen, kombiniert dieses Grafik dann mit der textlichen Auflistungen wichtiger politischer Regelungen zum Thema Asyl- und Migrationspolitik in Deutschland. Über „Ästhetischen Mehrwert“ verfügt diese Arbeit, die an die Ästhetik etwa von Naturkundemuseen erinnert, kaum, aufklärerischen Wert aber besitzt sie sehr wohl. Nur dieses ist bei der Frage nach dem nötigen Mass von einer Ästhetisierung der politischen Kunst wohl klar: um „Illustrationen“ handelt es sich hier keinesfalls.
Mehr Texte von Raimar Stange

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2. Berliner Herbstsalon
13 - 29.11.2015

Maxim Gorki Theater
10117 Berlin, Am Festungsgraben 2
Tel: +49 30 20221-0
Email: kontakt@gorki.de
http://www.gorki.de


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