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Vija Celmins: „Usually things don’t have a meaning.“

Gar unaufgeregt, gänzlich frei von jedem Spektakel begegnet einem die Ausstellung von Vija Celmins in der Secession. Doch das Auslassen einer großen Attitüde darf nicht vorschnell als kraftlos oder leblos abgetan werden. Das vorgestellte Oeuvre umfasst ausschließlich Druckgraphik, eine umfassende Bandbreite von unterschiedlichen Drucktechniken in einer unglaublichen Vielfalt von Schwarz–Weiß– und Grau–Nuancen. Elementare Motive wie der Ozean, der Himmel, die Wüste und die Galaxie fesselten seit den frühen 60er Jahren Vija Celmins Aufmerksamkeit, die diese obsessiv in die verschiedensten Drucktechniken umsetzt. Die Ausstellung reiht diese in Radierungen und Holzschnitten, Lithographien, Siebdrucken, Aquatinta und Mezzotinto, entstanden von 1961 bis heute, aneinander. Die Präsentation der Arbeiten kann als konventionell und vielleicht nicht sehr einfallsreich gesehen werden. Doch die nüchterne Hängung beeinträchtigt keinesfalls die Wirkung der Werke, sie vermittelt vielmehr Ruhe. Ruhe, die eine Annäherung aus der großen Dimension der Halle heraus fördert. Denn die Werke verlangen eine Nähe für eine eingehende Betrachtung und verwickeln darin den Betrachter in eine gewisse Intimität, in der sie dann ihr Potenzial entfalten. Die vom Betrachter geforderte schrittweise Annäherung ist Teil des Spiels. Die Zeit stellt einen wesentlichen, wenngleich eigensinnigen Faktor dar, zum einen in dem hohen Arbeitsaufwand, der hinter jedem der Blätter steht, zum anderen scheint sie in den Werken außer Kraft gesetzt. Das, was wir sehen, die endlose Wasseroberfläche, der unendliche Sternenhimmel oder die weite karge Wüstenlandschaft scheint ein Bild zu sein, das immer so war und immer so sein wird. In der Ausstellung begegnet uns die Wiederholung des wesentlich Gleichen als etwas Anderes. Dieses Wechselspiel von Ähnlichkeit und Differenz wirkt wie ein Katalysator: Die Ähnlichkeit zeigt die feinen Unterschiede und vertieft das Charakteristische, gräbt es ein in die Erinnerung als eine sich verändernde unbeständige Natur von Identität. Dessen Wesen ist seine komplexe Struktur, die ausschnitthaft auf eine Unbegrenztheit weist und dennoch die Totalität des Ganzen enthält. Eine eigentümliche Begehrlichkeit, diese nur von der Blattgrenze beschränkten Weiten in ihrem ganzen Ausmaß fassen zu können, wird heraufbeschworen und lässt vor den Werken innehalten. Vija Celmins verweigert in ihrer Arbeit jede direkte Narration und jeden Symbolismus, sie reduziert ihre Handschrift auf die kleinstmögliche Geste, verhindert so einen Stil und beschränkt ihre Komposition auf die Entscheidung des Formats und der Technik. Sie bündelt und lenkt damit die Konzentration auf das Dargestellte, richtet den Fokus auf die Weite. Nur in den wenigen Zusammenstellungen, Kombinationen von z.B. einem Sternenhimmel mit einer Grafik nach Uccello in Constellation Uccello (1983) oder in der Serie Concentric Bearings A bis Concentric Bearings D (1984), in welcher wieder ein Sternenhimmel, ein fliegendes Flugzeug und eine optischen Apparatur von Duchamp in verschiedenen Variationen einander gegenübergestellt sind, entwickelt sich eine Narration, eine kleine mehrdeutige Geschichte zum Thema Raum. Diese zu lesen, überlässt Vija Celmins gänzlich den Betrachtern. Und heute hat sie sich von solchen Gruppierungen wieder distanziert. Vija Celmins Werk liefert keine Fiktionen, vielmehr Realitäten mit plastischem Charakter. Es ist ohne Heroismus abbildhaft, das nur sich selbst darstellt und in dieser evidenten Sichtbarkeit eine Offenheit darbietet anderes darin zu lesen. „The work is about itself.“ und „Usually things don’t have a meaning.“ sagte die Künstlerin beim Presserundgang.
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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Vija Celmins
20.11.2015 - 31.01.2016

Secession
1010 Wien, Friedrichstrasse 12
Tel: +43 1 587 53 07, Fax: +43 1 587 53 07-34
Email: office@secession.at
http://www.secession.at
Öffnungszeiten: Di-So 14-18 h


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