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Rita Mcbride - Gesellschaft: Gesellschaftsfähig

Die neue Direktorin der hannoverschen Kestner-Gesellschaft Christina Vegh gibt mit ihrer Einzelpräsentation „Gesellschaft“ mit ausgewählten Werken von Rita McBride ihr Debut, überzeugt dabei aber nicht restlos. Arbeiten aus gut 20 Jahren des künstlerischen Schaffens der us-amerikanischen Künstlerin Rita McBride sind jetzt unter dem vielsagenden Titel „Gesellschaft“ in der Kestner-Gesellschaft zu sehen. Z. b. ist da ihre Werkreihe der „Keys“, 2015, lapidar an der Wand stehend präsentiert. Die Schlüssel in Übergröße und aus solidem Stahl scheinen auf dem ersten Blick als Skulptur diskutiert werden zu wollen, doch vielleicht macht es eher Sinn sie als modellhafte Denkbilder zu verstehen. Als Denkbilder, die, gerade im Kontext einer Ausstellung dieses Titels, uns über die gesellschaftliche Rolle von Schlüsseln nachzudenken auffordern, also über Akte des Abschließens und Öffnens, die nun mal vor allem die Funktion haben, eigenes Besitztum und geschützte Privatheit zu sichern. Angeblich, so behauptete etwa der Filmemacher Michael Moore, schließen die Menschen in Kanada ja ihre Häuser nicht ab … Auch die in der Ausstellung gezeigten minimalistischen Skulpturen, die z. B. Verteilerkästen darstellen, thematisieren Strukturen und Netzwerke, die soziales Leben in unseren modernen Gesellschaften mehr oder weniger sichtbar und sehr effizient steuern. Die reduzierte Form dieser Arbeiten aber gibt den vorgestellten funktionellen Dingen fast schon etwas archetypisches, seltsam antiquiert etwa wirken besagte Schlüssel auf den Betrachter. Eben darum behaupten diese Werke, und genau das ist ihr Problem, scheinbar keine aktuelle gesellschaftliche Brisanz. Und dieses gilt leider für die Ausstellung insgesamt: klug bedacht ist dieses Werk, kulturgeschichtlich wohl relevant, zugleich aber auch akademisch brav und bar jedweder (aktuellen) Ruppigkeit. Beispielhaft hierfür steht auch das Hauptwerk von „Gesellschaft“, die Rauminstallation „Arena“, 1997. Diese mobile, aus einem Stecksystem zusammengesetzte Holztribüne füllt die Kuppelhalle der Kestner-Gesellschaft nahezu raumfüllend aus. Dieses Hybrid aus minimalistischer Skulptur und funktionaler Architektur mag man vielleicht als Teil der „relational Ästhetik“ behaupten, kann die Arena doch betreten und besetzt werden und so als Treffpunkt und Zuschauerraum für diverse Aktionen dienen. Nur: Diese „Arena“ stellt dank ihrer puren Reduziertheit gleichsam die platonische Idee von Tribüne da, lässt aber jedwede Konkretisierung, etwa als Tribüne für politische Meetings oder für dramatische Theaterkunst, vermissen. Im besten Sinne kann sie als Abgesang auf die „relationale Ästhetik“ gelesen werden, ist doch diese Kunstrichtung aus den 90er Jahren ebenfalls schnell zu einer galerie- und gesellschaftsfähigen Form der kulturellen Unterhaltung verkommen, statt sich auf den situationistisch-revolutionären Impuls, auf den sie sich früh des Öfteren berufen hat, zu besinnen.

Mehr Texte von Raimar Stange

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Rita Mcbride - Gesellschaft
17.10.2015 - 10.01.2016

Kestner Gesellschaft
30159 Hannover, Goseriede 11
Tel: +49 511 70120 10
Email: kestner@kestnergesellschaft.de
https://kestnergesellschaft.de
Öffnungszeiten: Di-So 11-18, Do 10-20 h


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