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14. Istanbul Biennale: Versuch einer Biennale

Nach den politischen Protesten im Gezi Park und dem Eingeholtwerden der Kunst durch die Realität bei der 13. Ausgabe der Istanbul Biennale versucht sich die aktuelle 14. Ausgabe einer eindeutigen politischen Positionierung zu entziehen, auch wenn eine Bezugnahme im Angesicht der aktuellen Konfliktzonen in den Nachbarländern mehr als angebracht gewesen wäre. Sie setzt auf das Thema Salzwasser, das einerseits die geopolitische Situation der Stadt am Bosporus zu ergründen versucht und andererseits den allgemeinen Konnotationen von Wasser, Wellen und Salz in formalistischer und ideengeschichtlicher Hinsicht nachspürt. Ähnlich wie bei der letzten documenta bedient Carolyn Christov-Bakargiev ein Universum an ökologischen, spirituellen und sozio-politischen Fragestellungen, die in den einzelnen Präsentationsorten jedoch nur bedingt eingelöst werden können. Esoterik windet sich wie bei der letzen documenta in überbordendem Ausmaß durch die Ausstellungsorte, nur dass diese diesmal viel spannender erscheinen - Garagen, Hamam, abbruchreife Häuser und dergleichen. Das Highlight bildet die Prinzeninsel Büyükada, auf der die von Kritikerinnen einhellig beschworene, beste Arbeit der Biennale von William Kentridge zu sehen ist, der Teile aus dem Leben Leo Trotzkis nachstellt, der nicht unweit auf der Insel von 1929 an vier Jahre im Exil verbrachte. Von dem Haus, in dem Trotzki lebte, sind nur mehr wenige Überreste vorhanden, dafür müssen sich BesucherInnen durch den Schräghang im Garten zum Meer hinunter bemühen, um Adrián Villar Rojas weiße Riesentierskulpturen wie Elefant oder Giraffe, die wie aus der Arche Noah entsprungen Überreste aus dem Meer mit sich tragen, zu erspähen. Bakargievs Vorliebe der Einbeziehung unterschiedlicher Disziplinen, die mit Kunst in Berührung treten, zeigt sich am Werk des norwegischen Mathematikers Fredrik Carl Mülertz Størmer, der sich Anfang des letzten Jahrhunderts mit dem Nordlicht befasste und bei Arter mit fotografischen Studien und einer wissenschaftlichen Dokumentation vertreten ist. Gähnen stellt sich jedoch in der griechischen Schule ein, in der allzu formalistische Anhäufungen diverser Materialien die Räume füllen. Überzeugend dagegen Esra Ersens Doppelvideoinstallation in der italienischen Schule, in der sie historische und mythische Beziehungen zwischen Bulgarien und der Türkei aufgreift und dabei die Spuren des Osmanischen Reichs sowie Atatürks Verhältnis zu Bulgarien thematisiert. Beim Parcours durch die Biennale, der sich in seiner Gesamtheit nur schwer bewältigen lässt, zeigt sich eine allzu lose Aneinanderreihung von Arbeiten, die zwar in die einzelnen Orte intervenieren, aber in ihrer Gesamtheit eine Stringenz und Tiefe vermissen lassen.
Mehr Texte von Walter Seidl

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14. Istanbul Biennale
05.09 - 01.11.2015

Istanbul Biennale
Istanbul,
http://14b.iksv.org


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