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Von Organo di legno bis Ununseptium

Innsbruck im Sommer = barock + art Jedem sein Festival. Innsbruck besinnt sich auf seine Tradition und lässt im Juli und August Klänge aus der Renaissancezeit und des Barock aufleben. Highlights der heurigen Festwochen der Alten Musik waren allemal die Wiederentdeckung der Oper „Il Germanico“, die Dido-Session, wobei Purcells Oper jazzig aufgepeppt wurde, aber auch die Phan.Tastereien auf der einzigartigen Orgel mit Holzpfeifen aus 1580 in der Silbernen Kapelle, seitlich ein Stockwerk über den Schwarzen Mander... Außen an der Hofkapelle – wenn man den Blick gen Himmel schweifen lässt – ein kleines künstlerisches Verwirrspiel: hellblaue „Tränen“ quillen aus den Giebelöffnungen. Andrea Lüths Arbeit The BOO-Train ist ein sehr subtiles Aushängeschild zur volkskulturellen Ausstellung über Sterben und Tod in den letzten 250 Jahren, die in der Hofburg zu sehen ist. Der älteste österreichische künstlerische (Grafik-)Wettbewerb wurde vom Tiroler Paul Flora angeregt, fand 1952 zum ersten Mal statt und wurde 2015 zum 34. Mal ausgerichtet. 16 KünstlerInnen können sich über Preise bzw. Ankäufe freuen. Der mit 5.500 Euro höchstdotierte Preis des Landes Tirol ging an Judith Fegerl für ihre Serie zart besaiteter Kupferdraht-auf-Papier-Arbeiten. Gefolgt von Moussa Kone, der den Preis des Landes Südtirol (EUR 4.000,--) für seine 21teilige Grafikserie Lehenleiten (Blickpunkte entlang des Fluchtwegs seines Großvaters im Jahr 1945) erhielt. Alle 16 Positionen sind in der Galerie im Taxispalais zu sehen. Mit der Ausstellung Brain Twister (mazzocchio) gibt der Preisträger von 2013, Roman Pfeffer, im Untergeschoß Einblick in sein präzises aktuelles Werk. Geometrie und Perspektive, Verwandlung und Variation sind die Spielarten über das Thema der ringförmigen Kopfbedeckung des 15. Jhs. Mit seinen Kompositionen (Serie 1 und 2), Arbeiten auf Notenmanuskriptpapier, gibt Pfeffer vielerlei Beispiele für gut inszeniertes Aus-der-Reihe-Tanzen... Anmerkung: Einerseits beteiligen sich neben Bundesländern und Städten auch private Preisstifter, anderseits enthalten sich Salzburg und Steiermark und der Bund der Beteiligung. Es gibt auch noch ein zweites Ausstellungsszenario mit Preisträgerinnen. Im Kunstpavillon der Tiroler Künstlerschaft werden die beiden Gewinnerinnen des Förderpreises der Klocker Stiftung präsentiert: Ute Müller und Theresa Eipeldauer. Hier ist die Ausschreibung auf Malerei und Skulptur hin orientiert und beide Künstlerinnen arbeiten in beiden Medien. Somit ist (Druck)grafik ebenso vertreten wie Malerei - bei Ute Müller in lasierenden Farbaufträgen, Arbeiten aus Glasschichtungen und freie plastische Materialmix-Arbeiten. Insgesamt eine ästhetisch-kühle, in sich lebendig-informelle Schau. Ununseptium als Ausstellungstitel ist erklärungsbedürftig. Das 117. (daher der Name) Element des Periodensystems, kurz Uus, konnte im Jahr 2010 erstmals nach langer, aufwendiger Prozedur für unfassbare 14 Millisekunden atomar hergestellt werden. Dann war seine Existenz wieder zerfallen. Allein die grafische Darstellung ist ein faszinierend geordnetes Bild... Nun, im Artdepot wagte man sich über eine völlig neue Ausstellungs“chemie“ – keine quasi homogene Einzelpräsentation, sondern 17 verschiedene KünstlerInnen und fast ebenso viele Techniken sind vertreten. Anziehung, Abstoßung, Aufladung, ein Gesamtes? Auf jeden Fall eine Entdeckungsreise, bei der man sich auf überraschende Details einlassen kann/muss. Aoxomoxoa, so der Titel von Elisabeth Mosers spacig_psychedelisch anmutender Hinterglasmalerei – alte Technik neue Motive. Die digital akkumlierten Sujets des Fotografen Luis Steinkellner ziehen durchaus in ihren Bann; was bei diesen Arbeiten auf kleinem Format sich entfaltet findet ein großformatiges Gegenstück in der floralen Wunderwelt der Gemälde von Karin Pliem. In den Acrylglaskugeln von Katja Duftner entspinnt die Künstlerin mittels 3d-Stiften farbig geäderte fädige Netzwerke, die politische Verwobenheiten symbolisieren wollen. Einen Soundspray erfand Roland Maurmair. Unter dem Titel Happiness Is Made for You bietet er drei Melodien/Rhythmen auf Knopfdruck aus der Dose an, käuflich um EUR 400,-- Obwohl die Glaspaneele mit Zeitungscollagen von Zhanna Kadyrova den Hauptteil des Kunstraum Innsbruck labyrinthisch einnehmen, ist ihr typischstes Werk der Kleiderständer mit Modellen aus Keramikfliesen-“Stoff”. Die ukrainische Künstlerin setzt sich durchaus mit ihrem realen (politischen) Umfeld auseinander wie eben mit der Darnitski Silk Factory, der ehemals größten Kleider- und Stoffmanufaktur zu Sowjetzeiten, die nun in größeren Teilen stillgelegt und dem Verfall preisgegeben ist. Die Arbeiten sind nur mehr bis Ende August zu sehen, jedoch kann man auch schon gespannt sein auf die Fotografien von Mohau Modisakeng aus Südafrika. Mit ihm unterstreicht Karin Pernegger, Leiterin des Kunstraum Innsbruck, einmal mehr ihre Grundlinie in der Auswahl ihrer KünstlerInnen: Die Suche nach ungewöhnlichen Ästhetiken und dass politische Bezüge ohne Dogmatismus in Erscheinung treten. Ebenfalls noch bis Ende des Monats zu sehen ist in der Galerie Elisabeth & Klaus Thoman die in sich geschlossene Fotoserie Adam und Venus von Carmen Brucic– aufgenommen im Josephinum Wien, wo sich bekanntlich die medizinisch-anschaulichen Wachsmodelle befinden. Insofern entsprechen Adam und Venus nicht dem erwarteten Klischee... Und kontrapunktisch wird die Fotogeschichte mit Textstellen aus dem Roman Farabeuf von S. Elizondo akzentuiert. Mit den barocken Wachsmodellen schließt sich der Kreis mit dem Beginn: In Kooperation mit den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik fand unter dem Motto barock + art ein special event in der Galerie – wie auch andernorts - statt. Überblick über Ausstellungen in Innsbruck: www.innsbruckcontemporary.at
Mehr Texte von Aurelia Jurtschitsch

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