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Sapeurs

Seit langem sind die politischen Institutionen im Kongo nichts anderes als Selbstbedienungsanstalten. 2005, berichtet David van Reybrouck in seiner wunderbaren Geschichte des Landes, ließ sich das Parlament die Umstände der Volksvertretung vergolden. Jeder der 620 Abgeordneten bekam einen Geländewagen finanziert, einen SUV, denn der Zustand der Straßen erfordert ein dem Terrain entsprechendes Fahrzeug: „Dass man mit dem Geld auch die Straßen hätte instand setzen können, stand offenbar gar nicht erst zur Debatte“. „Se débrouiller“ heißt unter diesen Umständen die Losung für das tägliche Fristen der Existenz: Sich durchschlagen, auskommen mit den minimalen und maximalen Methoden von Unterschleif und Mogelei. Es heißt aber auch, seinen Kleinkrieg zu meistern durch ganz vitale Strategien der Lebensfreude und Selbstinszenierung. Kinshasa, die Hauptstadt, ist so in den letzten Jahrzehnten auch ein Modell geworden für ebenso prekäre wie urbane, von Leichtigkeit wie von tieferer Bedeutung durchsetzte Formen der Daseinsbewältigung. Den Maßstab liefert der Flaneur, die Existenz schlechthin des avancierten Städters. Sein Name in Kinshasa ist Sapeur. Er fühlt sich einer Gruppe zugehörig, die sich als „Société des ambianceurs et des personnages élégantes“, abgekürzt S.A.P.E., in einem Ambiente der Verheerung auf betont fröhliches und elegantes Auftreten verlegt hat. Der Armut gerade zum Trotz wirft man sich in Designerkleidung, holt sich Einschlägiges der Haute Couture von der Second Hand und bereichert die Tristesse mit metropolitaner Farbigkeit. Das Geld dafür wird zu einem Gutteil vom Mund abgespart, die Hütten, in denen man lebt, werden noch weiter vernachlässigt. Aber das Leben findet ohnedies auf der Straße statt: Die Sapeurs sehen sich mit diesem Wissen in bester urbaner Tradition. Wie so oft, wenn es um Stil und Stilisierung geht, ist die Musik zentraler Träger jenes speziellen Selbstbewusstseins zwischen Hochstapelei und Aufbegehren, das sich darin äußert. Papa Wemba gilt als der „pape de la sape“, der Stellvertreter des Lifestyle-Genius auf Erden, seine Lieder trägt er auf der Bühne in Armani vor, und der Rumba geht in Beine, die von Gaultier umschmeichelt sind.


Sapeurs, Foto © Benetton

Doch ist das wiederum nur die schöne, die einladende Seite des Phänomens. In einem System, dessen Elixier der Klientelismus ist und wo es zu jedem öffentlichen Auftritt einen Patron gibt, in dessen Interesse dieses Theater liegt, hofft der Sapeur auf einen Beschützer, der ihm seine splendide Erscheinung ermöglicht. Das kann ein Politiker sein, ein Händler mit internationaler Ware, ein Kriegsgewinnler, einer aus dem Kreis derjenigen, die man seit dem allmächtigen Mobutu „Grosses légumes“, feistes Gemüse, nennt. Die Sapeurs werden engagiert als Paradiesvögel - zur Garnitur einer Geburtstagsfeier oder zur Aufrüstung einer Kampagne im Wahlkampf. Ihre Subversion gerinnt dann schnell zum Dekor. Doch auch das hat lange Tradition: „Libanga“ ist das kongolesische Wort für eine Kultur der Schmeichelei und Liebedienerei, die man den Mächtigen angedeihen lässt - für ein auf den Leib Schmieden von Versen, für bildnerische Hommagen, für das Aufrufen von Namen, deren Träger es sich gefallen lassen, die Nennung zu kaufen. Letztes Jahr ließ sich Cartier den Auftritt auf der Art Dubai, wo man zeigte, was man hat, die Kollektion eben, von Bodys Isek Kingelez aufmöbeln. Kingelez führte eines seiner „Extremmodelle“ vor und umgab den dreisten Luxus mit dem Hauch authentischer Unbeschwertheit. Libanga sozusagen vom Feinsten. In der Fondation des Hauses am Boulevard Raspail liefern sie nun die Genealogie dieses Verfahrens nach: „Beauté Congo“ zeigt künstlerische Produktion seit den Zwanzigern. Manche Kommentatoren wundern sich, dass das Hässliche, Problematische, Ausbeuterische ausgeblendet ist. Doch Kunst ist Schmeichelei. Wie so vieles, was Einsichten in die Gegenwart angeht, verdanken wir auch diese Erkenntnis den Kulturen außerhalb Europas.
fondation.cartier.com


Ausstellungsansicht: Beauté Congo – 1926-2015 – Congo Kitoko, Fondation Cartier pour l’art contemporain, 2015. © Luc Boegly

Mehr Texte von Rainer Metzger

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