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Art Basel 2015: Boom mit Tücken

Der Markt boomt offensichtlich auf der Art Basel. Die VIP-Eröffnung am Dienstag erinnerte stark an die Jahre 2006/2007, als Sammler um Schlag elf Uhr in die Hallen stürmten. Gekauft wurde alles, was in der Kunst als Marke durchgeht. Ein New Yorker Händler erklärte, er habe in den letzten zehn Jahren keine so verrückte erste Dreiviertelstunde erlebt. Dabei ist er mit seiner Ware, die selten die 100.000 Dollar-Marke reißt, ein relativ kleiner Fisch im Untergeschoss mit der abgesicherten Ware. Die wirklich dringenden Verkäufe in den ersten Minuten waren durchaus im sieben- und achtstelligen Bereich. Auffällig ist die Rückkehr des großen Formats. Praktisch jeder Aussteller hat mindestens ein wandfüllendes Objekt zu entsprechenden Preisen im Angebot. Das billige Geld und die überbordende Liquidität der weltweiten Oberschicht befeuern den Boom. Die Messe selbst feiert das Verschieben und Umgruppieren nach Perioden von über 50 Galerien als bedeutendste Veränderung seit mehr als einer Dekade. Eine Veranstaltung, die so etwas als Meilenstein feiert, sollte also eigentlich keine größeren Sorgen haben. Und doch macht sich selbst bei manchen Ausstellern trotz der aktuell blendenden Umsätze ein Anflug von Sorge breit. Denn es gibt durchaus Themen, die angegangen werden könnten und müssten. Die Nachhaltigkeit des Preisgalopps ist durchaus kein Naturgesetz. Spätestens wenn die Zinsen steigen und klassische Geldanlagen wieder attraktiv werden, dürfte der Kunstmarkt einem harten Test unterzogen werden. Wenn dieser Fall eintritt, wird womöglich mehr als ein Investor versucht sein, seine millionenteuren Werke zu Geld zu machen. Trifft dieses Angebot auf einen Markt mit schwindender Liquidität, dürfte es schwierig werden. Auf genau dieses Hochpreis-Segment hat sich jedoch die Art Basel in den letzten Jahren immer weiter fokussiert. Eine weitere Baustelle ist die Liste. Die Muttermesse selbst ist mittlerweile ein viel zu großer (und teurer) Apparat, um jüngeren Galerien noch wirtschaftlich sinnvolle Optionen anbieten zu können. Ein Direktor einer der großen zehn (oder so) Galerien stellte mit leichtem Bedauern fest: “Wir fahren nach Basel, um Geld zu verdienen. Für die jungen Kollegen kann die Messe ein Schaufenster sein. Die müssen das dann als Marketingkosten abschreiben.” Einer dieser jungen Kollegen erklärt, dass viele genau dazu nicht mehr bereit sind: “Die Preise von Messeständen sind ein weiterer Aspekt, der in der Diskussion um 'junge' Galerien auf der Art Basel wichtig ist. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich viele der eingesessenen Liste-Galerien gar nicht mehr für einen regulären Stand auf der Art Basel bewerben, da man ja für einiges über 100.000 verkaufen muss, um die Kosten zu decken.” Die Liste wird für die Art Basel tatsächlich immer wichtiger, um den Kontakt nach unten sicherzustellen. Mit der Aufgabe des Untertitels “The young art fair” im letzten Jahr und der jetzt praktisch unbegrenzten Teilnahmedauer ist die Liste zum halboffiziellen Verschiebebahnhof der Muttermesse geworden. Viele Aussteller sind jetzt zum fünften oder siebten Mal dabei. Nach kurzen Ausflügen zu den “Feature”- oder “Statement”-Sektoren der Art Basel kehren sie zurück in den Schoß der Liste. Damit ist kaum noch Platz für Nachrücker, und beide Veranstaltungen drohen den Kontakt zur Avantgarde zu verlieren. Ein externer Faktor bedroht sogar unmittelbar einen Teil der Geschäftsgrundlage der Art Basel. Im Rahmen der Transparenzinitiative der schweizerischen Regierung scheint das System der Zollfreilager in seiner jetzigen Form in Gefahr. Die Behörden könnten geneigt sein, dieses für den einheimischen Kunsthandel so wichtige Instrument auf dem Altar der schweizerisch-amerikanischen Beziehung zu opfern, um das eigene Bankensystem aus der Schusslinie der US-Steuerbehörden zu nehmen. Diese Entwicklung kann die Art Basel tatsächlich beeinflussen.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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Art Basel 2015
18 - 21.06.2015

Art Basel
4005 Basel, Messe Basel, Messeplatz Halle 1 und 2
http://www.artbasel.com


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