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Jimmie Durham - Here at the Center: Im Euro-Center

Seit den 1960er Jahren unternimmt Jimmie Durham den Versuch, Politik und Poesie produktiv kurzzuschließen. Im Berliner n.b.k. hinterfragt der Künstler jetzt einmal mehr die Bedeutung eurozentrischer Machtansprüche. Europa sieht sich immer noch gerne als „erste Welt“, längst aber ist solch Eurozentrismus in Verruf geraten, hat sich nicht zuletzt als imperialistisch entlarvt. Jimmie Durham, der nicht nur seit nunmehr 5 Jahrzehnten als Künstler und Dichter arbeitet, sondern auch als Aktivist für die Interessen US-amerikanische Indianer u.a. in der UN gekämpft hat, thematisiert jetzt unter dem Titel „Here at the Center“ immer noch vorherrschende Narrative eurozentristischen Denkens. Der großformatige Siebdruck „Sie sind hier“, 2010, etwa stellt einen imaginären Stadtplan vor, „eine Karte zum Verirren“ (Durham), auf dem nicht Straßennamen eine vermeintliche Ordnung vorgeben, sondern quasi subjektive Beschreibungen wie „Glücksrad“, „Belaggesicht“ oder „Achselhöhle“. Diese Begriffe sollen die Ansprüche „westlicher“ Rationalität und ihren autoritären Charakter ebenso zurückweisen, wie andererseits Anstiften zur kreativen Produktion von eigenen Wegen und Geschichten. Der naturfeindliche Umgang instrumenteller Vernunft steht in dem Video „Grunewald“, 2006, zur Disposition. Im Zentrum dieser Arbeit, die der Künstler gemeinsam mit Maria Thereza Alves konzipiert hat, steht eine absurd anmutende Prozession durch den Berliner Stadtwald. Während dieser Prozession nutzt eine Gruppe von Menschen, gekleidet in blau-rote Gewänder, diverse technische Geräte für ein kakophonisches Musizieren inmitten der Ruhe der Natur. Musik gibt auch in der Video-Installation „Songs of Childhood“. 2014, den Ton an: Durham singt hier vor laufender Kamera diverse patriotische Kinderverse, Kirchenlieder und militärische Weisen, mit denen er in seiner Kindheit indoktriniert wurde. Diese Songs möchte er „loswerden“ – Kunst als befreiende Katharsis. Mitten im großen Ausstellungsraum wartet die Soundinstallation „Sound piece with Bullet“, 2012. Eine Gewehrpatrone ist da an der Wand befestigt, daneben steht in schwarzer Schrift die Aufforderung geschrieben, mit einem zu diesem Kaliber passenden Gewehr die Patrone an die gegenüber liegende Wand zu schießen. Zu hören ist hier nichts, stattdessen kann der Sound der abgefeuerten Patrone gelesen werden: „KAKAKCHENWWHIIIIIIIIII!G!!!!“ Die poetischen Abenteuer des Jimmie Durham finden nun mal im Kopf statt, wirklich geschossen, wie etwa bei Chris Burdens Arbeit „Shoot“, 1971, wird bei ihm nicht. Der Preis hierfür ist, dass diese Ausstellung „vergleichsweise friedlich“ ist, wie das Deutschlandradio Kultur treffend formuliert. Genau hier aber kommt poetische Polit-Kunst an die Grenze ihrer Wirkung.
Mehr Texte von Raimar Stange

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Jimmie Durham - Here at the Center
06.06 - 02.08.2015

n.b.k. Neuer Berliner Kunstverein
10115 Berlin, Chausseestr. 128/129
Tel: +49 (0)30 280 70 20, Fax: +49 (0)30 280 70 19
Email: nbk@nbk.org
http://www.nbk.org
Öffnungszeiten: Di - Fr 12 - 18 Sa + So 14 - 18 h


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