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Mental Diary: Erinnerungsarbeit als Kunst

Im Kunstverein Hannover zeigt die Ausstellung „Mental Diary“ wie Künstler versuchen sich zu erinnern. Und sie zeigt, wie eine thematische Ausstellung zwar ein Thema, aber kein Konzept haben kann. Welch These könnte eine Ausstellung zu „Kunst und Erinnerung“ entfalten? Vielleicht die, dass die Qualität von Erinnerungsarbeit immer mehr von der digitalen Kultur beeinflusst ist, wie jüngst in der Kunsthalle Wien (siehe die artmagazine Kritik. Die Ausstellung jetzt im Kunstverein Hannover verzichtet aber auf jedwede These, alles was sie will ist, „unterschiedliche Formen der Aneignung und Notationen der täglichen Routine“ (Presseinformation) vorzustellen. Dieser Verzicht hat Konsequenzen, er führt nämlich dazu, dass „Mental Diary“ mit seiner bloß, wenn man so will, positivistischen Haltung zwar durchaus interessante Kunstwerke zeigt, aber eben keine gedankliche Tiefe in der Zusammenstellung der einzelnen Exponate erkennen lässt. Sechs künstlerisch Positionen aus unterschiedlichen Generationen werden in der Raumfolge des Kunstverein also konzeptionslos aneindergereiht: Ketuta Alexi-Meskhishvili, Sol LeWitt, Dietmar Lutz, Jonas Mekas, Christiane Möbus und Dan Perjovschi, wobei gerade die älteren Positionen für sich genommen überzeugen. So Jonas Mekas mit seinem Film „As I was moving ahead occasionally I sow brief glimpses of beauty”, 2000,: In diesem Spätwerk Mekas’ sind Szenen aus Mekas Leben in assoziativer Folge montiert. Dazwischen kommentieren textliche Inserts das Geschehen. „Boating in central park“ ist da zu lesen, „In Montava“ oder, fast schon programmatisch, „I am trying to remember“. Gefilmter Alltag aus fast 30 Jahren erscheint in diesem Film nicht nur so poetisch-schön wie experimentell-unperfekt, sondern auch als fast schon dokumentarischer Zeitzeuge. Auch Sol LeWitts Fotoserie „Autobiography“, 1980, in der Sol LeWitt Gegenstände aus seinem Atelier und seinem Haus abgelichtet hat, nutzt Alltagskultur als Selbstporträt, als Selbstporträt, das angenehm sachlich und nicht angestrengt psychologisch daherkommt. Steckdosen, Pfannen, Schuhe, Bücher und Fotos z. B. gewähren hier „private“ Einblicke in das Leben des US-amerikanischen Künstlers. Die jüngeren Positionen fallen dagegen krass ab. Der Düsseldorfer Maler Dietmar Lutz etwa zeigt in „Mental Diary“ hübsch bunte Malerei, die Menschen in allerlei alltäglichen Lebenssituationen präsentiert: beim Lesen, Schlafen, Diskutieren... Doch diese Malerei, die oftmals auf medialen Vorlagen basiert, bleibt letztlich so seicht, dass sie mit Kunst kaum noch etwas zu tun hat. Und auch Ketuta Alexi-Meskhishvilis Arbeiten, die „als enigmatische Bilder freie Assoziationen eröffnen“ (Ausstellungsfolder) sollen, sind arg vordergründig und in fast schon kitschiger Weise „poetisch“.
Mehr Texte von Raimar Stange

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Mental Diary
06.06 - 23.08.2015

Kunstverein Hannover
30159 Hannover, Sophienstraße 2
Tel: +49 511 32 45 94, Fax: +49 511 363 22 47
Email: mail@kunstverein-hannover.de
http://www.kunstverein-hannover.de
Öffnungszeiten: Di-Sa 12-19, So, feiertags 11-19 h


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