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Gemischte Vitalität

Mit 26 teilnehmenden Galerien ist das erste konzertierte Eröffnungswochenende unter dem Titel Xpositions als Parallelveranstaltung zum Gallery Weekend ähnlich weitreichend innerhalb der Berliner Topografie, wie das Zugpferd im Berliner Kunsthandel, das seit 2004 die Szene beherrscht. In Korrespondenz zur Kunstmesse Positions, die 2014 – gewissermaßen als Nachfolger des einst hoffnungsvoll gestarteten Berliner Kunstmarkts Preview – ihre Premiere feierte, zeigt sich ein ähnlich gemischtes Bild, mit Höhen und Tiefen in Qualität und Anspruch. Wer bei den Höhen bleibt und darüber hinaus von der raschen fußläufigen Erreichbarkeit profitieren will, ist im südlichen Tiergarten im Quartier um die Potsdamer Straße gut aufgehoben. Hier bietet der israelische Künstler Amir Fattal bei Anna Jill Lüpertz eine aktuelles Statement zu den ikonoklastischen Verwüstungen irakischen Kulturguts. Amir Fattal, der selbst einer jüdisch-irakischen Familie entstammt, führt nicht nur Bilder der Zerstörung vor Augen, sondern öffnet auch den Blick, für eine Reihe gravierender kultureller und politischer Paradoxien. Bilder des doppelköpfigen Löwens vom Ischtar-Tor erinnern nicht nur an eine Blütezeit der mesopotamischen Kulturen. Sie stehen auch für die fragwürdige Dislokation fremden Kulturguts durch Europäer im 19. Jahrhundert, die hier im Nachhinein möglicherweise die Bewahrung vor möglicher Zerstörung am Ursprungsort gewährleistet. Zudem wirft Amir Fattal den Blick auf das widersprüchliche Verhältnis zur Moderne, das in konservativen und extremistischen Kreisen im Vorderen Orient sichtbar wird, wo mittelalterliche Weltanschauungen mit den massenmedialen Mitteln des 21. Jahrhunderts propagiert werden. Er selbst nutzt neuerdings 3-D-Drucker, um hier fragil und archaisch wirkende Reliefs historischer irakischer Bauten auf der Grundlage von Fotografien vorzustellen. Auch bei Jan Hostettler ist das Thema der Gewalt latent vorhanden. Mit subtilem Schweizer Humor entstand auf einer Wanderung entlang der Via Francigena vom Großen St. Bernhard nach Rom ein visuelles fotografisches Tagebuch. Quadratische Schwarzweißfotografien zeigen unprätentiöse Landschaftsaufnahmen, digital auf Baryt-Papier übertragen. Im Raum zwischen kaschiertem Abzug und Glas findet sich jeweils eine Patronenhülse montiert, die Jan Hostettler vor Ort fand. Die Erklärung dieser waffentechnisch gestörten Idylle liegt in der Singvogeljagd, die in Italien im Dienste kulinarischer Künste traditionell weite Verbreitung findet. Die Galerie cubus-m hat zwölf Bilder aus der 40-teiligen Serie ausgewählt, die durch eine aktuelle Videoarbeit ergänzt werden. Die Galerie Jarmuschek+Partner setzt ebenfalls auf fotografische Positionen. Albrecht von Alvensleben, Elmar Haardt und Franziska Strünkel erkunden Architektur und den öffentlichen Raum. Während Elmar Haardt den frontalen Zugriff auf seine detailreichen Sujets wählt, entscheidet sich Albrecht von Alvensleben gegen die Totale und für das Fragment. Dynamisch inszenierte und in der Farbigkeit deutlich veränderte Bauten der Moderne knüpfen in zeitgenössischer Methodik an konstruktivistische Kompositionen der russischen Avantgarde an. Von der Idee her spannend zeigen sich dazu die Spiegelungen in den Bildern Franziska Strünkel. Verschiebungen und Brechungen sind gut beobachtet, leiden aber unter zu großem Bildformat bei nicht immer überzeugender Wahl des Ausschnitte. Zwei Locations bespielt die Galerie Gilla Lörcher mit der Malerin Bettina Sellmann. Porträts sind das Leitmotiv einer immer wieder variierten Malerei, deren Farbenfreude durchaus ein Stück weit ironisch zu verstehen ist, handelt es sich doch bei den Porträts nicht um reale Personen, sondern um Konterfeie aus der Spielzeug- und Comicwelt. Jenseits möglicher kultur- oder gesellschaftskritischer Deutungen, vermittelt Bettina Sellmann in ihren Bildern ein bedrohtes Gut: lustvoll vorgetragene, vitale Malerei, mit einem guten Schuss Virtuosität. www.xpositions.de
Mehr Texte von Thomas W. Kuhn

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