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Venedig 1

Dieses Mal beginnt die Biennale, und damit ist d i e Biennale gemeint, die der Kunst, die in Venedig, bereits im Mai. Das mag damit zu tun haben, dass einer der zahlungskräftigsten Cliquen überhaupt, dem Kunstbetrieb, Gelegenheit gegeben werden soll, einen Monat länger viel zuviel Geld für viel zu wenig Gegenleistung auszugeben. Und auch damit, dass die längsten Schlangen vor den Pressezentren, Pavillons, Parties traditionell in der Eröffungswoche zustande kommen und es diesmal nicht so heiß sein soll, wenn die Wartenden erschöpft zu Boden gehen. Mit der Expo in Mailand, die am 1. Mai aufmacht, hat es womöglich auch zu tun, man hört von vier Millionen Chinesen, die zur Weltausstellung gebucht sind, und von deren zwei Millionen, die dann weiterwollen an die Lagune. Jedenfalls: Ab 9. Mai ist die Biennale offen, für Vorbesichtigende schon ab dem 6. Mai. Ich selbst plane eine Reise im Oktober. Schlangestehen auf der Biennale, Foto: artmagazine Doch wollen wir das Treiben in der Biberrepublik, wie Goethe sie nannte, in den nächsten Monaten mit einigen Blicken in die Kulturgeschichte begleiten. Zur Einstimmung hier das 14. der venezianischen Sonette des deutschen Dichters August von Platen, publiziert 1825, eine aparte Mischung aus Melancholie und Mangel an Begabung: Wenn tiefe Schwermut meine Seele wieget, Mag's um die Buden am Rialto flittern: Um nicht den Geist im Tande zu zersplittern, Such ich die Stille, die den Tag besieget. Dann blick ich oft, an Brücken angeschmieget, In öde Wellen, die nur leise zittern, Wo über Mauern, welche halb verwittern, Ein wilder Lorbeerbusch die Zweige bieget. Und wann ich, stehend auf versteinten Pfählen, Den Blick hinaus ins dunkle Meer verliere, Dem fürder keine Dogen sich vermählen: Dann stört mich kaum im schweigenden Reviere, Herschallend aus entlegenen Kanälen, Von Zeit zu Zeit ein Ruf der Gondoliere. Soweit Platen. „Darf man Dichter verbessern?“, fragte 1990 Robert Gernhardt, selber einer, und er griff sich speziell die letzte Terzine des tristen Poems heraus, in der sich die Reviere ihren speziellen Reim auf die Gondoliere machen. Hier nun Gernhardts Kommentar samt Verbesserungsvorschlag: „Ja, Herr von Platen, Gondoliere. Und ihre Gondoliere lassen sich, im Gegensatz zu den Mauern, welche halb verwittern, nicht überlesen: Dieses über die volle Distanz durchgehaltene Hohe Sprechen und dann – bumsti – ausgerechnet am Schluß diese, reim dich oder ich freß dich, an humorige Techniken Wilhelm Buschs gemahnende gewaltsame Eindeutschung eines Fremdworts ... Wo es doch gerade auf -iere reichlich Reimwörter gibt, deutsche wie fremde: Schmiere, Tiere, Biere, Wesire, Papiere, Vampire, Scharniere, Klaviere, Menhire – alle nicht so furchtbar venezianisch, zugegeben, doch da gibt’s ja auch noch all jene Berufsbezeichnungen, die die deutsche Zunge sich bereits zu eigen gemacht hat, Barbiere, Musketiere, Pioniere, Kanoniere – „Von Zeit zu Zeit ein Schuß der Kanoniere“ –: Nein? Einverstanden! Aber das wird sie begeistern: Kavaliere! Die gehören doch zur Serenissima wie die Schwermut zum Dichter: „Dann stört mich kaum im schweigenden Reviere... Der Gondelruf bezechter Kavaliere.“ In diesem Sinne wünschen wir schöne Reisevorbereitungen.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Ein Prophet!
Stach | 04.05.2015 08:28 | antworten
"...viel zuviel Geld für viel zu wenig Gegenleistung ..." - Wie beeindruckend, Herr Metzger, dass Sie das jetzt schon wissen.

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