Thomas W. Kuhn,
Time to Fill up the Glass - Young Art from Austria: Divergenz als Emanzipation
Fingerabdrücke auf dem hochglänzenden Acrylglas irritieren bei genauer Betrachtung einer Folge kleinformatiger Fotografien von Hanna Putz und geben Anlass zur Frage, ob das denn Absicht sei. Und wo im kleinen die Abweichung von einem regelgerecht sauberen Bild verstört, irritiert im Großen die Divergenz der Postionen. "Time to fill up the glass" verspricht die von Cornelius von Almsick kuratierte Ausstellung junger Künstler, die bei Daniel Richter und Amelie von Wulffen an der Akademie der Bildenden Künste Wien studierten oder studieren. Die acht Positionen unterschiedlicher Couleur vereint kein Manifest, kein Medium oder Stil, sondern ein soziales Band des Mit-, Neben- und Füreinanders. Da ist Divergenz nicht zuletzt Ergebnis der Emanzipation von den künstlerischen Konzepten der Lehrer ohne diese grundsätzlich leugnen zu wollen.
Dieser Gestus der Abweichung findet sich beispielsweise versteckt in einem großen, zweiteiligen Tableau Adrian Buschmanns. Während er auf der rechten Tafel appetitlich Blautöne à la Mark Rothko changieren lässt, überlagert die Rechtecke im linken Feld das, was sich als skizzenhafte Formel eines Gesichts deuten lassen muss. Eine Abbreviatur, die den ganzen großen Ernst der Abstraktion ins Ironische versetzt.
Das gilt nicht minder, aber direkter formuliert, für Alex Ruthner. Gestisch artikuliert befleckt Farbe die Leinwand, durchaus kompositorisch überzeugend verteilt. Doch überlagern Linien die drei Bilder, aus denen sich Hausdächer und Antennen ablesen lassen, auf denen bunte Vögel thronen. So weiß man nicht, ob hier in diesem kruden Aufeinandertreffen von Figuration und Abstraktion das biedermeierliche Paradies der Einen oder der Anderen gestört wird.
Anders sieht es bei Marcin Zarzeka aus. Ironie-frei wirken seine geometrischen, mehrschichtigen Abstraktionen, die dem Konstruktivismus verbunden sind. Allerdings könnte diese präzise Fortführung klassisch-moderner Ansätze Konkreter Kunst kaum weiter von den malerischen Vorstellungen von Richter und von Wulffen liegen. Trotz immer wieder behaupteter Internationalität dieser Formensprache, mag sich bei Marcin Zarzeka auch eine bewusste Hinwendung zur polnischen Avantgarde-Tradition zeigen, die also das Narrativ "Nation" hinsichtlich einer möglichen ästhetischen Relevanz befragt.
Erotische Implikationen, die spätestens seit Egon Schiele mit Teilen der österreichischen Kunst assoziiert werden und in die Arthur Schnitzler, Sigmund Freud und Franz West mit aufgenommen werden dürfen, kondensieren in den schon erwähnten meist gesichtslosen Schnappschüssen von Hanna Putz und der Montage von Rosa Rendl. In Zeiten von Gender Studies und offen thematisierten Formen sexuellen Missbrauchs in allen gesellschaftlichen Einrichtungen ein subversives Angebot an die Betrachter. Dazu gehört auch die männermordende femme fatale der Anne Cathrin Ulikowski, die einer filmischen Fantasie Quentin Tarantinos entsprungen scheint.
Disparate Exponenten der Schau bleiben die Bild-Material-Montagen von Lilli Thießen und die jungenhaften Bildmotive von Michael Fanta, die eine dezidierte Positionierung verraten wollen, ohne ihren Ort bestimmbar zu machen.
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Time to Fill up the Glass - Young Art from Austria
01.05 - 20.06.2015
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