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Um 1500

Von wem stammt das Bild „Ruhe auf der Flucht“? Das war eine Frage, wie sie einst „Trivial Pursuit“ so beliebt gemacht hatte, auch wenn sie ein wenig vage war. Die richtige Antwort im Gesellschaftsspiel war Philipp Otto Runge, doch Adam Elsheimer hätte sich genauso angeboten, oder Breughel, oder Tiepolo, die ganze Palette. Gäbe es aus der Fülle der Möglichkeiten indes eine richtigste Antwort, so müsste man Albrecht Altdorfer nennen, einern jener Künstler jedenfalls, die um 1500 dingfest machten, dass es in freier Wildbahn so etwas wie eine Pause geben kann. Mit dem typischen Seitenblick seiner Disziplin aufs Nationalistische hat der Wiener Kunsthistoriker Theodor Frimmel die Gruppe an Künstlern, die Mensch und Natur erstmals in Einklang sahen, „Donauschule“ genannt. Jetzt sind sie wieder an den Ort zurückgekehrt, den ihnen eine Ursprungskunstgeschichte um 1900 als den angestammten angedient hatte. Albrecht Altdorfer, der in Regensburg, Hans Leinberger, der in Landshut, Wolf Huber, der in Passau, und ein mit dem Notnamen Meister IP versehener Bildschnitzer, der ebenfalls in Passau arbeitete, treffen sich im Wiener Kunsthistorischen Museum. Sie bilden das Führungsquartett einer Ausstellung, die unter dem Titel „Fantastische Welten. Albrecht Altdorfer und das Expressive in der Kunst um 1500“ die Neuartigkeit dieser Meister aus Deutschland auf den Begriff zu bringen sucht. Vorher war die Schau im Frankfurter Städel zu sehen. Dort war sie konzentrierter, doch in Wien ist sie einfach deshalb attraktiver, weil man sie mit eigenen Beständen auffettet, mit Dürer vor allem, der zwar die These untergräbt, aber die besten Bilder parat hat. Die These bestünde aus der Beobachtung des rabiat Bewegten, Pathetischen, ganz Unklassischen dieser Arbeiten, die man in die unglückliche Formel vom „Expressiven“ eindickt. Das Wort kingt verlockend, doch die Art von Ausdruck eines Seelenzustands, die man damit verbindet, haben die Künstler dann doch noch nicht im Sinn. Ihre Werke sind allem Ruhigen, Ausgewogenen, Ponderierten, wie es in Italien Raffael, aber nördlich der Alpen genauso Dürer verkörpern, völlig entgegengesetzt. Aber sie haben sich die Antike ebenso beflissen vorgenommen, die Redekunst vor allem, und so sind die Bilder hochgetürmt und aufgeladen mit Rhetorik. Heftig, ungestüm und ziemlich lautstark reden sie daher in ihrer Bildersprache, sie suchen das Sublime, das Erhabene und Mitfühlende und finden es, als wären sie schon Romantiker, in der Natur. Albrecht Altdorfer, Auferstehung Christi, 1518, Kunsthistorisches Museum Wien, Gemäldegalerie © KHM-Museumsverband Es ist perfekte Renaissance.Was wir heute pantheistisch nennen und ein wenig esoterisch finden würden, war seinerzeit Arbeitsgrundlage. Natur und Mensch fügen sich zueinander, denn es gibt ein gemeinsames Drittes, das sie in Fasson bringt. Sie nannten dieses Dritte damals Gott, den Garanten des Harmonischen, des Mitfühlenden und Mitleidenden. So kann man Ruhe finden auf einer Flucht. Man kann Trost finden im Angesicht des Gekreuzigten, dessen Tod nicht nur Maria und Johannes, sondern auch die Bäume, die das Geschehen flankieren, gestenreich beklagen. Und man kann die Natur selber finden, die nun als Landschaft sowohl die Szenerie als auch das Bild von ihr greif- und damit begreifbar macht. Erstmals gibt es bei Altdorfer also die Landschaft als Sujet. Sie kommt auf Pergament daher, ganz Experiment, erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts wird es auf Holz aufgezogen. Dann war die Errungenschaft durchgefochten. Die Autonomie von Bildern und Landschaften vollzieht sich unter einem gemeinsamen Dritten. Sie nannten dieses Dritte damals Gott. www.khm.at
Mehr Texte von Rainer Metzger

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