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Anna-Sophie Berger, Kay Walkowiak - Abstraction Rhapsody: Vom sinnstiftenden Moment abstrakter Kunst

Das eindeutige Highlight und gleichzeitig der Schlüssel zum Verständnis dieser ambitionierten Schau ist die Videoarbeit „Making Sense out of Abstraction“ von Kay Walkowiak, in der Yogis kleine abstrakte Kunstwerke interpretieren. Hier zeigt sich sehr eindrucksvoll, dass es keineswegs einer kunsthistorischen Vorbildung bedarf, um Sinn in solchen Arbeiten entdecken zu können. Für im westlichen Kunstkontext sozialisierte Menschen ist dies eine völlig neue und nicht unwesentliche Erkenntnis. Gehen wir doch zumeist davon aus, dass mit dem Grad der Abstraktion auch das allgemeine Unverständnis steigt. Ganz anders die Menschen in diesem Video, sie interpretieren entweder frei drauflos oder gestehen ganz offen, dass sie dieses Objekt nicht verstehen. In beiden Fällen aber werden die Werke mit größter Wertschätzung und Respekt behandelt.

Genau dieser respektvoll erforschende Zugang ist es, den die vorliegende Schau braucht und verdient. Denn erst nach längerem Hinsehen und eingehender Beschäftigung fallen die feinen Details auf, um die es hier geht. Dass Anna Sophie Berger nicht einfach einheitlich blaue, sondern fein changierende Stoffe – mit dem Foto eines Seidenstoffes bedruckter Polyester – für ihre am Boden liegenden Stoffkompositionen verwendet, ist ebenso wichtig, wie der subtile Dialog zwischen den in den Filmen Kay Walkowiaks gezeigten Arbeiten und den Werken Bergers. Wobei dieser Dialog weit über das rein Formale hinausgeht. Nicht nur Formen und Farben, sondern auch das Material selbst scheint in einen Dialog zu treten, ist doch Seide ein weithin mit Indien assoziiertes Material.

Wie die Bewohner des ikonischen Wohnblocks von Le Corbusier in Chandigarh sich diesen aneignen und zum Beispiel durch einen Nagel im Beton ihren Bedürfnissen entsprechend adaptieren, ist in einem weiteren sehr eindrucksvollen Video von Kay Walkowiak in medidativen Bildern nachzuvollziehen. Dass es die reine Form als solche nicht geben kann, wird angesichts der völlig selbstverständlichen Deutung und Umdeutung westlicher Hochkultur augenscheinlich. Dass eine solche aber weder ein Missverständnis noch ein Infragestellen, sondern eine dringend notwendige Ergänzung darstellt, wird in dieser Schau eindrucksvoll vorgeführt.

Mehr Texte von Wolfgang Pichler

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Anna-Sophie Berger, Kay Walkowiak - Abstraction Rhapsody
25.03 - 18.04.2015

wellwellwell
1040 Wien, Mittersteig 2a
Tel: +43 660 4782921
Email: office@wellwellwell.at
http://wellwellwell.at/
Öffnungszeiten: geschlossen


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Überheblichkeit
Subhash | 17.04.2015 10:04 | antworten
Dass es erstaunlich wirkt, wenn ein Mensch ohne kunsthistorische Vorbildung ein abstraktes Werk „versteht”, liegt wohl an der Überbewertung der Ratio in unserem Kulturkreis. Die Vernunft maßt sich hierzulande ja oft genug die Deutungshoheit selbst über Kunstwerke an und steht dann verblüfft vor einem „intuitiven” Zugang, den sie als „richtigen” empfindet. Nichts als europäisch/westliche Überheblichkeit.

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