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Erwin Wurm - Fichte: Der Witz des Witzes willen

Skulpturen, Fotos, Videos und Installationen von Erwin Wurm sind jetzt im Kunstmuseum Wolfsburg präsentiert. Die Arbeiten aus über 20 Jahren künstlerischer Produktion belegen: Auch Witze sind eine prekäre Angelegenheit, die nicht immer lustig ist. Da ist eine „Toilette“, 2014, gleich im ersten Raum der Ausstellung „Fichte“ zu sehen, ihre Toilettenschüssel ist so klein, dass sie einerseits kaum noch zu benutzen ist, andererseits formal an, wenn MANN so will, Schamlippen erinnert. Gelingt es dieser Arbeit von Erwin Wurm, die Kunsthistoriker zudem angestrengt an Marcel Duchamps Urinoir „Fountain“, 1917, denken lässt, tatsächlich den „Pathos und die Theatralik sowie die Absurdität gesellschaftlicher Konventionen zu entlarven“ (Pressetext)? Oder handelt es sich hier nur um einen möchtegern kulturbeflissenen Herrenwitz? Im Hauptraum des Kunstmuseum Wolfsburg dann hängt u.a. Wurms Installation „Fichte“, 2015,: Unzählige Tannen hängen dort kopfüber von der Decke, stellen also etablierte Ordnungen auf den Kopf. Dieses gilt auch insofern, als es sich hier eben nicht um Fichten, wie der Titel von Arbeit und Ausstellung suggeriert, handelt, sondern um Nordmanntannen. Verwirrung also tritt auf den ästhetischen Masterplan, der bei Wurm ja eh meist durch die Unstimmigkeit von Proportion und Perspektive bestimmt ist. Doch geht die Rechnung wirklich auf, die durch die Referenz zu dem deutschen idealistischen Philosophen Johann Gottlieb Fichte noch eine zusätzliche Dimension gewinnen soll? Fichte betonte bekanntlich, der Pressetext erwähnt es ebenfalls: „man muss ihnen ein Misstrauen in ihre Regel beibringen?“ Das Problem dieser Kunst aber ist längst, dass ihre Regelverletzungen – zumal im Betriebssystem Kunst, indem ja so ziemlich alles erlaubt ist – oft im Überraschenden und Witzigen steckenbleiben, aber keine tatsächlich „misstrauende“ Qualität besitzen. So wird wohl niemand „Fichte“ ernsthaft als ökologische Arbeit über z. B. Klimawandel behaupten. Ähnliches gilt auch für den vor dem Museum stehenden „Curry-Bus“, 2015, ein umgebauter VW-Bulli, der jetzt gleichsam wulstig aus den Fugen geraten ist und so eine „fette“ Erscheinung angenommen hat. Motor und Getriebe wurden aus dem Wagen entfernt, dafür ist jetzt ein funktionstüchtiger Wurststand in den VW eingebaut. Für 4 Euro kann hier eine Curry-Wurst von einem Koch und Verkäufer erworben werden – selbstverständlich ist die Wurst etwa dreimal so groß, eben auch „fett“, wie eine handelsübliche. Prompt aber stellt sich einem wieder die Frage: Ist dieser „Curry Bus“ wirklich eine „misstrauende“ Kritik an unserer Konsumgesellschaft oder ist sie bloß ein skulptural skurriler Joke, der mehr oder weniger Spaß macht?
Mehr Texte von Raimar Stange

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Erwin Wurm - Fichte
22.03 - 13.09.2015

Kunstmuseum Wolfsburg
38440 Wolfsburg, Porschestraße 53
Tel: +49(0) 5361- 26690, Fax: +49(0) 5361- 266966
Email: info@kunstmuseum-wolfsburg.de
http://www.kunstmuseum-wolfsburg.de
Öffnungszeiten: Di-So 11-18 h


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