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Karl, Krippe, Kathedrale

Am Weihnachtstag des Jahres 800 wurde der König der Franken und Beherrscher eines guten Teiles von Europa zum römischen Kaiser gemacht. Es geschah ganz in der Frühe, eigentlich hatte der Chef der Karolinger nur die Messe besuchen wollen, doch jetzt hatte ihn der Papst schon mal da und was folgte, war eine Art Coup. Der solcherart Gekrönte hätte, schreibt sein Biograf Einhard, „an jenem Tag, obgleich es ein hohes Fest war, die Kirche nicht betreten, wenn er die Absicht des Papstes hätte vorherwissen können“. Ganz contre coeur, so klingt es durch, ist da einer zum Imperator geworden, den Beinamen der Große fing sich Karl dann im Lauf der Geschichte gleich mit ein. Im hessischen Landesmuseum ist gerade eine Ausstellung zu Ruhm und Nachruhm des Begründers sowohl deutscher als auch französischer Identität zu sehen. Am ersten und zweiten Weihnachtstag hat die Schau „1200 Jahre Mythos und Wirklichkeit“ geöffnet. Am Weihnachtstag des Jahres 1223 feierte Franziskus, der aus der Stadt Assisi kam, im umbrischen Greccio des Fest der Geburt des Herrn. Damit die Gläubigen, angelockt vom Nimbus einer mit Weltnähe angereicherten Heiligkeit, es nur ja mit eigenen Augen sehen konnten, bastelte Franz die Krippe aus echten Figuren, mit Ochs und Esel, und auch ein Baby war vorhanden. Damit war der franziskanische Sinn für Realität auf eine neue Stufe von Eindrücklichkeit gebracht, und Franz wurde ganz nebenbei auch der Begründer des ästhetischen Prinzips Tableau Vivant. Seither stellt man Bilder auf die Bühne, und sei es nur das Re-Enactment jener Performance in der Kapelle von Greccio mit den Mitteln geschnitzter und auf jedem Weihnachtsbilligmarkt zu erwerbender Figuren. In San Francesco in Assisi erinnert ein Fresko, das man dem Umkreis Giottos zuschreibt, an das damalige Geschehen. Dem Mechanismus des Umgangs mit Heiligen entsprechend nennt man es das „Krippenwunder“. Die Hauptkirche der Franziskaner hat an den Weihnachtstagen geöffnet. Giotto, Der Heilige Franziskus bereitet die Krippe in Greccio Was wären die Weihnachtstage ohne die Hochämter, an denen das feierliche Gefühl seine Urstände feiert. Dann läutet zum Beispiel die Pummerin, und der Kardinal zieht in seine Bischofskirche ein. Man nennt diesen Ort auch Dom, wenn man es lateinisch, oder Kathedrale, wenn man es griechisch herleitet. Gemeint ist mit allen drei Begriffen das Gleiche. Es ist meistens ein architektonisch sehr ausgewiesener Ort, wichtig an Kathedralen ist vor allem, dass sie eine Prozession gestatten, dass der Weg vom Westeingang her lang ist und ein rituell überhöhtes Einherschreiten ermöglicht. Kathedralen sind deswegen fast immer Basiliken, das Mittelschiff ist markiert durch ein Stakkato an Jochen, die den Zug weiterreichen nach vorne zum Altar. Kathedralen haben immer schon die künstlerische Fantasie beflügelt, in der Alten Zeit, als sie nach Ausstattung riefen, genau wie in der Moderne, als die Religion überflügelt wurde vom Inszenierungszauber. Das Kölner Wallraff-Richartz-Museum hat gerade eine wunderbare Ausstellung dazu parat, das Thema Kathedrale, wie es sich von Goethes Hymnus auf Straßburg an durch die letzten 250 Jahre zieht, mit Victor Hugos „Notre-Dame de Paris“, Monets Reigen in Rouen bis hin zu Imi Kneobels Fenster für Reims. Das Museum macht leider erst wieder am zweiten Weihnachtstag auf. Dieser Blog hat immer offen. Er wünscht ein gelungenes Fest.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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