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weibel/export

Ganz am Ende des Kompendiums zum Wiener Aktionismus, das 1970 im kohlkunstverlag, Frankfurt, herausgekommen ist, gibt es eine Rubrik, die in der zeit- und raumspezifischen Kleinschreibung „zusätze“ betitelt ist. Obwohl das dunkel eingeschlagene Heft, das mit dem Anspruch spielt, Schwarzbuch zu sein, unter der Herausgeberschaft von „weibel/export“ - ohne Vornamen und in dieser die Gepflogenheiten des Alphabets gering achtenden Reihenfolge - firmiert, handeln die „zusätze“ von einer einzigen Person. Sie tritt als „ich“ auf. Da der Name „valie export“ ausdrücklich genannt wird, ist davon auszugehen, dass dieses „ich“ Peter Weibel ist. Bei aller Selbstdarstellung im Duett gibt es eine Einzelstimme; sie ist da, auch wenn sie nur in Nebenmomenten in Erscheinung tritt. Jetzt hat Peter Weibel aus diesen Beiseite-Situationen eine Haupt- und Staatsaktion gemacht. „Nun, wo Sie mich explizit fragen“, gibt er im Katalog zu seiner Ausstellung im Wiener 21er Haus sehr deutlich zu Protokoll, „mache ich von der Gelegenheit Gebrauch, um auf Widersprüche hinzuweisen und die Fakten darzulegen“. Die Textbeiträge des Katalogs bestehen aus Interviews, die der Herausgeber und Belvedere-Kurator Alfred Weidinger ausladend mit Weibel geführt und zu Themenkomplexen gebündelt hat. Einer der Komplexe trägt den Titel „Valie Export“. Der hat es in sich. Weibel nutzt also die Gelegenheit zu nicht weniger als einer Revision einer gewissen Kunstgeschichte. Deren Kapitel handeln von einem Prozess der Emanzipation, von der Entwicklung femininen Selbstbewusstseins über die Entdeckung eines eigenen, autonomen, eben weiblichen Körpers. Valie Export ist eine der Galionsfiguren dabei, das „Tapp- und Tastkino“ das Schlüsselstück. Dem hält Weibel entgegen: „Das war allein meine Idee, auch die Formulierung Tapp- und Tastkino. Nur konnte ich als Mann das Tapp- und Tastkino nicht selbst bespielen. Meine entblößte Brust stellte keine Attraktion dar, also führten wir die Aktion gemeinsam aus.“ So geht es die 15 Druckseiten des Gesprächs dahin. Nach Weibel galt in Fragen der Urheberschaft das folgende Agreement: „Wir stellten also die Regel auf, der zufolge eine Idee von mir zu einer gemeinsamen wurde und eine im gemeinsamen Gespräch entwickelte allein ihr zugeschrieben wurde“. Das ferne Vorbild, dass einem angesichts dieser Konstellation von Freiheit und Abhängigkeit in den Sinn kommt, benennt Weibel gleich selber, indem er Otto Muehl zitiert, der zu ihm gesagt habe: „Du erhöhst sie zur Kathedrale, damit Du sie lieben kannst. Du schaffst Dir selbst ein Objekt, das begehrenswert ist, gewissermaßen ein Pygmalion-Effekt“. Weibel ist Higgins, Export Eliza. Er liebt sie und tut alles für sie. Im Gegenzug bewundert er ihr Engagement („das war das Tolle an ihr, dass sie so mutig war“) und ihre Solidarität („Da war sie sehr heroisch und hat das alles durchgehalten“). VALIE EXPORT, TAPP und TASTKINO, 1968, Foto: Werner Schulz, © Bildrecht, Wien 2014 Mit einer eigenen Kunst, sagt Weibel, wär es für sie nach der Beendigung der Zusammenarbeit dann eher problematisch geworden. Er wirft ihr den Backlash in Werkbegriffe und Kanonherrlichkeiten vor, die sie gerade hatten überwinden wollen: „Sie hat die Fiktion verdunkelt, das Artefakt naturalisiert und die konstruierte Realität wiederum in eine ontologische Behauptung verwandelt.“ Sprengstoff genug liegt in Weibels Aussagen. Seine frühere Kombattantin, ausgewiesen als unnachgiebige Beharrerin auf weiblicher Autorenschaft, hat sich bisher mit Dementis bedeckt gehalten. Fragt man im Wiener Kunstbetrieb nach Erinnerungen an damals, erntet man Verständnis für Weibels späte Enthüllungen. Und all das ist dann doch lange her. Was bleibt nun für unsereinen? Erstens: Team-Arbeit schützt vor Essentialisierung. Zweitens: Valie Export ist einer Re-Ontologisierung ihrer Arbeit erlegen. Drittens: Weibels Kritik an dieser Ontologisierung zahlt den Preis einer eigenen; seine Richtigstellung rückt die Frau hinein in angestammte Rollen. Die Mitstreiterin bleibt Muse und Modell.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Na ja, Peter kann eben alles!
crisfor | 22.12.2014 07:36 | antworten
Ich weiß nicht, wie man sich selbst fühlt, wenn man allen alles einredet, sich seine Größe immer wieder selbst vorredet, bis es alle glauben. Peter braucht kein feedback - das ist seine Stärke!

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