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Knoebel

„Die Hälfte oder noch mehr von den besten neuen Arbeiten ist weder Malerei noch Skulptur gewesen“: So beginnt einer der Schlüsseltexte zur erweitert zeitgenössischen Ästhetik, Donald Judds Aufsatz „Specific Objects“ von 1965. Judd ist eine der Galionsfiguren der Minimal Art, doch hat seine Beobachtung den Charakter eines Axioms. Gegenwartskunst ist nicht über bildnerische Gattungen zu verstehen, sie mischt, vermengt, macht ununterscheidbar. Imi Knoebel begann exakt in den Jahren, da Judd seine Verfügung traf. Knoebels Oeuvre ist beispielhaft weder Malerei noch Skulptur, es frönt dem Sowohl - Als Auch einer nicht mehr den klassischen Künsten konformen Produktion. Meistens funktionieren seine Tafeln als eine Art Reliefs, sie sind Stücke für die Wand, die eine eigene Dreidimensionalität beanspruchen, die flach, aber nicht flächig, und bunt, aber keine Applikationen sind. In der Binnenstruktur spielen sich diverse Plastizitäten ab, es gibt Tiefenstaffelungen durch mehrere Lagen von Hölzern, Metallen, Kunststoffen. Das Trägermaterial ist dabei zugleich Bildmaterial, Konstruktion und Werk sind deckungsgleich. Es sind ihrerseits „Spezifische Objekte“, wie Judd es nannte, Verkörperungen ihrer selbst in ihrer jeweiligen objekthaften Besonderheit. Nach der Ära von Markus Brüderlin bleibt das Kunstmuseum Wolfsburg für den Moment dessen Arbeit noch verbunden. Man zeigt nicht weniger als eine Retrospektive des Meisters zu dessen 75. Geburtstag, Wand-, Boden-, Raumfüllendes von Unter- bis Überlebensgroß. Zwischen Modell- und Monumenthaftigkeit sind die Arbeiten doch immer vor allem sie selbst, Theatralik, der nicht schadet, wenn der Besucher als Komplize mitmacht. Blick in die Ausstellung "Imi Knoebel. Werke 1966 - 2014" Kunstmuseum Wolfsburg, Foto: Marek Kruszewski, © VG Bildrecht, Wien 2014 Tatsächlich ist Knoebel eine Galionsfigur jener Moden und Modalitäten der Geometrie, die Brüderlin, der Nicht-Mehr-Modernist, so liebte, auch wenn er sie vor allem in seinen eigenen Jahrgängen geschätzt hat. Knoebel ist dafür zu alt. Und er, der Beuys-Schüler und Düsseldorf-Adept, hat diese Geste der Reduktion auf mathematische Strenge immer mit einer Dimension der Bricolage versehen, einer gewissen Freihändigkeit, nach der doch auch der Zufall ein Künstler ist. Noch das Genaueste ist bei Knoebel buchstäbliche Werkstattarbeit, und es sieht so aus, als wäre alles Mögliche, was gerade im Atelier zur Verfügung stand und lag, zupass gekommen, um es für die Überführung in Kunst zu recyclen. Knoebels Kunst entspricht einem Minimalismus der zweiten Generation. Weniger orthodox als etwa Judd, spielerischer und unbekümmerter, verkörpert Knoebel eine europäische Spielart der neuen, nicht mehr puristisch gemeinten Simplifizierung seit den Sechzigern. Vielleicht ist Knoebel monoman im Ausloten von Objekthaftigkeit. Genauso aber ist er polyglott in seinem Variantenreichtum, in der schieren Vielfalt dessen, wozu er Malerei und Skulptur gemeinsam, als klassische Hybride, bewegen kann. www.kunstmuseum-wolfsburg.de
Mehr Texte von Rainer Metzger

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