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Herzogin von Alba

Die Herzogin von Alba ist tot. Mit ihren 88 Jahren hat Cayetana Fitz-James Stuart y Silva, die unter aristokratischer Flagge gern auf Piraterie ging, das Zeitliche gesegnet. Wer mehr über sie erfahren will, über ihre Affären, ihren Besitz oder ihre etwas skurrile Schönheit, konsultiere die einschlägigen Medien. Uns bleibt an dieser Stelle daran zu erinnern, dass sich mit einer ihrer Vorfahrinnen ein Stück Kunstgeschichte verbindet. Es rankt sich um den bedeutendsten Maler der allerfrühesten Moderne, um Goya. Die jetzt Verstorbene war die 18. in ihrer Linie. Im folgenden geht es um diejenige mit der Nummer 13. Der Künstler, um es auf den Punkt zu bringen, hatte etwas mit ihr. Man munkelte sogar, die berühmte Maja, die der Meister in einer bekleideten und in einer ausgezogenen Version auf die Leinwand brachte, hätte in dieser Maria del Pilar Teresa Cayetana de Silva Alvarez de Toledo ihr ganz körperhaftes Pendant gefunden. Das wiederum wollte der 17. Herzog (der Vater der soeben Hingeschiedenen) nicht auf sich und der Ehre seiner Familie sitzen lassen, und so ordnete er im November 1945 die Exhumierung der Ahnin an. Das Ergebnis der grauslichen Prozedur brachte zutage, was auch der Augenschein schon hätte ergeben können. Die Maja und die Herzogin sind zweierlei. Ein Vergleich ist problemlos möglich, denn Goya hat seine Geliebte in aller Vitalität porträtiert. Das einschlägigste der Bildnisse sieht so aus, es ist heute in New York in der Hispanic Society beheimatet: Sie sieht aus, wie man sich derlei Damen eben vorstellt. Wenn heutzutage jemand in den närrischen Tagen als „Spanierin“ geht, will er oder sie genauso aussehen: ganz in Schwarz, ein wenig dogmatisch, stolz und eher nicht so geheimnisvoll wie sie gerne täte. Goya hat sie womöglich durchschaut, doch eine solche Kenntnis war ihm offenbar auch ganz leibhaftig gegeben. Interessanter sind die Skizzen, die er von ihr gemacht hat, zu finden im sogenannten Skizzenbuch von Sanlucar aus dem Jahr 1796. Hier wirft sich die Herzogin per Federzeichung so in Pose: Wem das nicht reicht, der kann auch hinter die Kulissen blicken: In einer wunderbaren Volte hat Goya dem Geschehen seinen pornografischen Lauf gelassen und die Gnädigste entblättert. Wie immer ist sein Tun dabei psychologisiert. Von vorne gesehen, gibt sich die Dame hell, freundlich, im Sommerkleide. Die Kehrseite ist die düstere, man sieht Dinge, die im Verborgenen blühen, und die Lady wird zur Femme Fatale. Besonders raffiniert, wie sich Goya die Tatsache zunutze macht, dass Zeichenblätter eine Recto- und eine Verso-Seite haben. Vorne auf dem Papier sieht man die Herzogin von vorne, hinten von hinten. Auch als Mann bleibt Goya jedenfalls Meister. Die Herzogin ist tot. Es lebe die Herzogin. Zur weitergehenden Lektüre sei empfohlen das schöne Büchlein von Ivan Nagel, dem Theatermann: Der Künstler als Kuppler, Goyas Nackte und Bekleidete Maja, München: Hanser 1997
Mehr Texte von Rainer Metzger

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