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Hessisches Landesmuseum

In Darmstadt haben sie in den 60ern einen Theaterneubau ins Zentrum gestellt. Natürlich sollte er zeigen, dass man wieder wer war in Sachen egalitärem Bewusstsein. 1972 eröffnet, kam er gerade recht ins bundesrepublikanische „Mehr Demokratie wagen“. In den 2000ern ist er umgebaut worden, und zeittypisch setzte man die Anlage, die man bisher durchaus von der Tiefgarage her betreten und mit Sitzreihen ganz ohne Logen genutzt hatte, nunmehr in den „Kontext von Luxus, Glamour und außergewöhnlichem Event“. Die Darmstädter Soziologin Martina Löw gebraucht diese Begriffe, und sie zeigt, dass die Neuorientierung nicht im Sinne eines gestiegenen Anspruchs auf Elite-Dasein passierte, sondern um die Bedürfnisse des Publikums nach Theatralisierung und Selbst-Inszenierung zu befriedigen - Dinge, die man bis dato der Institution überantwortet hatte und nun zur Sache jenes Chefs macht, der man selber ist. „Die räumliche Umsetzung des demokratischen Willens“, schreibt Löw in ihrem Buch zur „Soziologie der Städte“, „wird heute in einem Maße als selbstverständlich erachtet, dass jeder für einen Abend den Anspruch erhebt, etwas Besonderes darstellen oder an etwas Besonderem teilhaben zu dürfen“. Vermittlungskonzepte für die Minderbemittelten, Einladungen an die Ausgeschlossen, Inklusionen der Exkludierten sind so gesehen eher kosmetische Operationen. Vordringlich muss man dafür sorgen, dass im massenhaften Kulturkonsum so etwas wie Kostbarkeit greifbar wird: im Darmstädter Theater unter anderem durch eine Art Loggia, wo man sich für die Pause aufstellen darf, um zu sehen und gesehen zu werden. Im September ist nach sechs Jahren der Schließung ein weiteres Flaggschiff der lokalen Bewusstseinsindustrie der Öffentlichkeit übergeben worden. Das Hessische Landesmuseum, bis zur ihrem Verkauf an den Schraubenfabrikanten Würth der Hort der „Darmstädter Madonna“ Hans Holbeins, bis zu ihrem Verkauf an diverse Stellen, unter anderem an den neureichen Nachbarn Frankfurt, Ort der Sammlung Ströher und für die Zukunft dank ihres Kaufs durch das Land weiterhin Schauplatz des „Beuys-Blocks“, prangt nun in voller Fülle. Man betritt das aufgefrischte Foyer: Zwischen den geputzten Gebälken blitzt das Mastodon-Skelett durch, vor dem Beuys einst „Kunst = Kapital“ titelte. Man blickt nach rechts: Es öffnet sich das Schatzhaus der alten Bestände. Erbaut um 1900, ist das Landesmuseum ein typischer Konglomeratbau, der seine Räume um die Exponate herum gestaltete; natürlich reicht ein solches Geschichtstheater heute nicht mehr, die Kunst- und Wunderkammer ist jetzt aufgemotzt als Tresor, mit Vitrinen wie Fort Knox, mit einem Beleuchtungszauber, der über die Herstellung von Sichtbarkeit himmelweit hinausgeht. Hessisches Landesmuseum, Raumansicht Gemäldegalerie 19. Jahrhuundert, Foto: Wolfgang Fuhrmannek Es gibt einen Zusatztrakt der frühen 80er, den man gern los geworden wäre, aber beibehielt, weil die Aufrüstung der alten Architektur schon teuer genug war. Dieser „Kargelbau“, benannt nach seinem Planer, beherbergte früher die Sammlung des 20. Jahrhunderts. Nun enthält er den gesamten Gemäldebestand: Die Wände sind bespannt mit jener stolzen Monochromie, die je nach Epoche von Rot zu Grün zu Blau variiert; die Oberlichtfenster sind verhängt, damit keine wetterbedingte Atmosphäre die kuratorisch verordnete Hermetik stört. Die Bilder kommen gut zur Geltung. Stück für Stück lassen sie sich bewundern. Gut zur Geltung kommt auch ihre Wirkung als Kulisse, als Träger eines geschmackssicheren Ambientes für den Kunstgenuss. Stück für Stück kann man sich beim Bewundern bewundern. Nun hat Darmstadt ein Theater mehr.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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