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VIENNAFAIR The New Contemporary: Balkanische Weisen statt Wiener Walzer

Der Balkan erobert Wien und die Eingeborenen freuen sich darüber. Aber es geht auch nur um Kunst. Die VIENNAFAIR The New Contemporary macht Ernst mit ihrem Schwerpunkt auf Süd-Osteuropa. Dank großzügiger Förderung durch Sponsoren und dem Gastland Rumänien könnte fast der Eindruck entstehen, es handelte sich um eine Balkan-Messe. Das ist vor allem positiv. Selten wird das Auge mit so viel frischer, engagierter Kunst konfrontiert, die sich vor allem von manchem der benachbarten russsichen Stände wohltuend abhebt. Bei Nicodim aus Bukarest gibt es großformatige Gemälde von Razvan Boar, die in ihrer Machart und ihrem skurrilen Humor an den frühen Polke erinnern (14.000 US-$). Neuentdeckungen sind aber auch historischen Positionen möglich. Die 418 Contemporary Art Gallery aus Bukarest zeigt mit Vincentiu Gregorescu einen Künstler, der abgeschottet hinter dem Eisernen Vorhang schon in den 60er und 70er-Jahren eine Formensprache entwickelt hat, wie sie zeitgleich mit der Arte Povera entstand und der die Schwarzmalerei von Pierre Soulages sogar vorwegnimmt (bis 14.000 Euro). Bei den einheimischen Galerien ist die Messe insofern einen Schritt weitergekommen, als sie deren Teilnehmerfeld gründlich ausgedünnt hat. Hier ist weniger deutlich mehr. Rosemarie Schwarzwälder stellt mit ihrer Galerie Nächst St. Stephan junge Positionen der Galerie vor. Als jung gilt in diesem Fall auch Ferdinand Penker, der kürzlich im Alter von 64 Jahren verstorben ist, dessen erste Einzelausstellung in der Galerie jedoch noch aussteht. Kurz vor Ende der Vernissage kam der Künstler Chrstian Eisenberger mit einem großen Sack Zwiebeln auf dem Rücken in die Koje der Galerie Krinzinger, um eine Installation für den nächsten Tag vorzubereiten. An einem ihrer zwei Stände wird nämlich jeden Tag ein anderer Künstler präsentiert. Georg Kargl schafft das Kunststück, ungefähr die Hälfte seiner Künstler auf dem Stand unterzubringen und es trotzdem wie eine kuratierte Ausstellung aussehen zu lassen. Aber Wien wäre nicht Wien, wenn alle an einem Strang zögen. Martin Janda und Mezzanin haben sich der Messe ganz verweigert, andere nehmen nur mit einem Förderstand teil. Ein Lehrstück über die Konsequenzen von Kirchturmdenken wird zur Zeit in Berlin aufgeführt, wo man wiederum auf das Kölner Beispiel der späten 90er- und frühen 2000er-Beispiel zurückgreifen konnte. Irgendwie scheint es immer noch nicht überall begriffen worden zu sein, dass es allen inklusive einem selbst schadet, wenn man den eigenen Standort als Marktplatz demontiert. Wenigstens in der Stadt scheint die Messe jetzt so langsam anzukommen. Mit der Kunsthalle ("Blau") und dem MUMOK (Cosima von Bonin) eröffnen wenigstens zwei Institutionen gleichzeitig zur Messe ihre aktuellen Ausstellungen. Und dann gibt es da noch die Satellitenmesse Parallel, mit Wiener Selbstironie auch als Parallel-Aktion genannt. Volker Diehl aus Berlin, der zum ersten Mal seit 2010 überhaupt wieder an einer Messe teilnimmt, findet, dass die Messe auf einer guten Weg sei. Der einheimische Markt wäre ja eher schwach, und historisch und geografisch mache die Hinwendung Südosteuropa Sinn. Berlin hätte die Chance gehabt, aber nicht genutzt. Jetzt sei eben Wien am Drücker und mache seine Sache ganz ordentlich. Er selbst ist dann gleich mal mit einer Solo-Präsentation der Russin Olga Chernysheva angetreten, die in subtilen Bildern die soziale Realität Russlands reflektiert, indem sie Fotografien von Glaslüstern auf wackeligen Astkonstruktionen als Leuchtkästen in Szene setzt. Fabrikarbeiter erhalten die Luxusobjekte als Lohn und bieten sie am Straßenrand feil, wenn der Hersteller gerade wieder den Lohn nicht zahlen kann oder will. ŻAK l Branicka, ebenfalls aus der deutschen Hauptstadt, hat zwei der drei Kojenwände für eine monumentale Installation mit aufgerollten schwarzen Tauen von Natalia Stachon reserviert. Die Berliner Galerie Crone hingegen vermeidet in diesem Jahr den großen Auftritt und zeigt mit Hanne Darboven, Anthony Goicolea, Monika Grzymala und Peter Welz eher erprobte Positionen. Deutschland stellt mit 16 Teilnehmern den größten Ausländeranteil unter den auf 99 ausgedünnten Galerien. Leider sind nicht alle auf internationalem Niveau, was leider für einige der westlichen Aussteller gilt. Hier ist noch einiges zu tun. Mit der jetzigen einseitigen Ausrichtung wird man weder internationaler Marktplatz noch Schnittstelle zwischen Ost und West, weil der Anschluss an den Westen nur bedingt funktioniert.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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VIENNAFAIR The New Contemporary
02 - 05.10.2014

Messe Wien
1020 Wien, Messezentrum Wien Neu, Halle A
http://www.viennafair.at
Öffnungszeiten: Do 11 - 19 h; Fr 11 - 21 h; Sa 11 - 19 h, So 11-18 h


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Fantastisch ......die Show in Klosterneuburg !!!
Heinz Schlatzer | 04.10.2014 07:55 | antworten
Schwerpunkt Osteuropa hin oder her; das hat absolut Berechtigung. Berechtigung hin oder her - Qualität ist natürlich sehr subjektiv. Dennoch spreche ich etwas an, was sehr, sehr viele Besucher nach dem Besuch wahrscheinlich denken: Hat Spaß gemacht, aber kaufen ??? Der Österreicher kauft kaum internationale Kunst, er setzt auf Österreichisches. 24 Stunden später hatte ich dann doch noch mein Erfolgserlebnis. Wenige Kilometer entfernt in Klosterneuburg im Esslmuseum sah ich eine subjektive Version der "zukünftigen Malerei" und trotz physiologischer Defizite ( ich war müde und unausgeschlafen) empfand ich diese Schau sehr, sehr spannend! Das Gute liegt anscheinend doch sehr nahe ! Chapeau, chapeau !!!

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