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Frank Thiel - Los Arados de Dios: Verflixte Erhabenheit

Das Erhabene hat schon viele Philosophen und Literaten geplagt. Frank Thiel anscheinend weniger. Mit offensichtlicher Leichtigkeit hat er es an den Gletschern im argentinischen Nationalpark Los Glaciares mit der Kamera eingefangen und präsentiert es nun anhand monumentaler Fotografien (C–Prints) in der Galerie Krinzinger. Thiels Zuwendung in dieser Serie weg vom Urbanen hin zur Natur ist nicht verwunderlich. Denn die Gletscherbilder sind wie die vorangegangenen Arbeiten (etwa die Aufnahmen von Berlin nach dem Mauerfall) vom selben Interesse an Oberfläche und Tiefe, Farbigkeit und Licht getragen, die sich in nuancenreicher Vielgestalt an der Struktur des fokussierten Objekts abspielen. In diesem Fall ist es die Architektonik von Eismassen. Hinter dieser konzentrierten Oberflächenbeobachtung sind die Gletscher in ihrer Zeitlichkeit prekäres Thema, die unaufhaltsame Zeit in ihrer Sichtbarkeit an der sich wandelnden Struktur. Die atemberaubende Eislandschaft in brillanter, blau-weißer Farbskala scheint in den Perito Moreno betitelten Aufnahmen über die Bildgrenzen hinaus endlos zu sein und damit die Unendlichkeit zu implizieren. Nur im detaillierten Vergleich sind minimale Veränderungen der enormen Eismassen in den einzelnen Fotografien beobachtbar. Diese kaum merklichen Abbrüche weisen voraus auf die Darstellungen der sich zurückziehenden Gletscherzunge zwischen felsigem Gestein im anderen Galerienraum. Das gewaltige Naturschauspiel erweist sich als zeitlich bedingt. Die Problematik der globalen Erwärmung wird unvermittelt gegenwärtig und unterläuft den schwelgenden Genuss der ästhetischen Wahrnehmung. Die eisige Pracht schien zunächst in universaler Präsenz von gebieterischer Unnahbarkeit, die sich im Schwinden der Gletscherzunge zu einer anderen sich entziehenden Unnahbarkeit wandelt. Die ehrfürchtige Ohnmacht vor der überwältigenden Schönheit der Eiswände wird zu einer verzweifelnden Ohnmacht in Anbetracht des unabwendbaren Verlusts. Ganz unaufdringlich wird mit den Mitteln der künstlerischen Fotografie Kritik am Umgang der sogenannten Zivilisation mit der ökologischen Situation offenbar. Kunst wird hier zur Propaganda, allerdings ohne sich in deren Dienst zu stellen. Denn der Anspruch auf kunstvolle Eigenständigkeit und autonome Ästhetik ist in der Größe unübersehbar und wird bis ins Detail eingelöst. Das Naturschöne und das Kunstschöne sind deckungsgleich, das Szenario der Natur wird zum künstlerischen im Galerieraum – unangreifbar und souverän in seiner Selbstgenügsamkeit. Darüberhinaus gilt es als wahr. Frank Thiels Position als Künstler entzieht sich somit weitgehend einer ästhetischen Kritik. Diese kann sich nur mehr auf die Wahl des Fokus, des Ausschnitts und des Zeitpunkts der Aufnahme beziehen. Und diese sind souverän getroffen. Doch birgt dieser professionelle Kunstgriff eine Problematik: das der diffizilen Differenz von Präsentation und Repräsentation. Gilt unser bewunderndes Erstaunen nun dem natürlichen Schauspiel oder der künstlerischen Fotografie? – Die natürlich diese Großformate benötigt. Denn die Mächtigkeit der Formate kommt der Mächtigkeit der Eiswände nahe. Ohne intervenierenden Eingriff wird der Natur und ihren elementaren Kräften mit maximaler Präzision professionell zum orchestrierten Auftritt in der Fotografie verholfen. Das Erhabene ist von der Natur direkt in die Künstlichkeit transferiert. Und das Resultat ist überwältigend und Frank Thiels Ausstellung großartig (und verflixt – wieder so wie die naturgegebene Situation).
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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Frank Thiel - Los Arados de Dios
01.10 - 14.11.2014

Galerie Krinzinger
1010 Wien, Seilerstätte 16
Tel: +43 1 513 30 06, Fax: +43 1 513 30 06 33
Email: krinzinger@galerie-krinzinger.at
http://www.galerie-krinzinger.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 12-18, Sa 11-14 h


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