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Art Chicago: Wiedererweckung

In den 80ern, da war Chicago groß. Nach dem Niedergang der Art Chicago, die später Next hieß, und der Komkurrenz durch Armory Show, Art Basel Miami Beach und Frieze New York, war die Windy City auf dem Kunstmarkt abgemeldet. Karsten Greve (Paris, St. Moritz, Köln) weiß zu berichten, dass für seine Galerie in den 80ern Chicago noch wichtiger war als Basel. Kenntnisreiche Sammler, die ohne Zögern Millionenbertäge ausgeben, seien damals in Europa völlig unbekannt gewesen. Er begrüßt daher die Neugründung Expo Chicago, die gerade zum dritten Mal stattfindet, auch wenn die aktuelle Ausgabe sicher keine Spitzenmesse sei. Alex Logsdail, der Junior der Londoner Lisson Gallery, die nach Jahren erstmals wieder an einer Messe in Chicago teilnimmt, steht stellvertretend für viele der auswärtigen Galerien, wenn er sagt: "Chicago ist so wichtig für uns. Hier gibt es so viele Sammler und Institutionen. Die Stadt ist ein Hub für den gesamten Mittleren Westen. Diese Leute erreichen wir hier viel besser als in New York." Ungefähr so scheinen es die New Yorker Aussteller ebenfalls zu sehen. Sie spielen fast alle auf Nummer Sicher - junge Künstler, Installationen, Videos sind die Ausnahme. Fast scheint es, als wolle man sich erstmal langsam an seine Kunden aus der Provinz herantasten. Hollis Taggart aus New York ist zum dritten Mal dabei. Sein Direktor Martin Friedrichs findet: "Das Publikum auf der Eröffnung wird jedes Mal besser. Mittlerweile sehen viele Sammler, dass Chicago einfach auf den Kalender gehört. Wir hatten hier heute schon einen Sammler, der extra aus Texas eingeflogen ist. Und es gibt ja den historischen Willen, den Standort auf die Agenda zu setzen." Michael Janssen aus Berlin, der sich einen Stand mit Marisa Newman aus New York teilt, ist gelassen: "Es ist langsam, typisch Chicago. Jetzt gibt es hier auch ein Galeriewochenende. Letztes Jahr waren 50 Leute von auswärts da, dieses Mal 450. Man muss mal schauen, wie sich das entwickelt. Chicago ist einfach keine Stadt, wo die Leute an der Tür rütteln." Diese Gelassenheit ist dem Stand anzusehen: sehr präzise, sauber und nach ästhetischen Gesichspunkten zusammengestellt, wie man es von amerikanischen Galerien seltener sieht. Die setzen meist auf bunte Gemischtwarenläden. Paul Hodges von der Londoner Hales Gallery ist zum ersten Mal dabei und nach eigenen Angaben ohne große Erwartung gekommen. Da er in Chicago bisher praktisch keine Kunden hatte, sind seine Künstler hier kaum bekannt. Für ihn ist das ein Vorteil: Er habe tatsächlich viel Zuspruch erfahren und neue Sammler kennengelernt. Tristian Koenig aus Melbourne ist nicht ganz so begeistert. "Ich komme 10.000 Kilometer aus Australien geflogen, und dann stellen sie mich hier ans Ende der Halle. Wo sind die Sammler?" Deren Ausbleiben liegt seiner Meinung nach nicht nur an seiner schlechten Positionierung. "Da gibt es dieses nette Ehepaar mit einer tollen Sammlung. Die hatten gestern Open House. Und heute sind sie nach Wyomig geflogen." Mit seinem etwas wilden Auftritt sticht er tatsächlich heraus. Zerknüllte Bierdosen und überquellende Aschenbecher als Edition, die zwischen den Gemälden des britisch-australischen Künstlers Oscar Perry drapiert sind, könnte er das konservative Publikum überfordert zu haben. Für jede neue Messe stellt sich das Henne-Ei-Problem. Eigentlich sollte sie erst an ihrem Standort etabliert sein, bevor sie - in diesem Fall - europäische Aussteller akquiriert, damit diese sich nicht bloß als Deko fühlen, ohne Umsatz zu machen. Andererseits ist eine Kunstmesse auf internationale Teilnehmer angewiesen, um ihre behauptete Relevanz dem heimischen oder angereisten Publikum nachzuweisen. Ein kanadisches Sammlerpaar, das eigens aus Vancouver eingeflogen ist, kann sich vor allem für die Stadt begeistern. Die größten Entdeckungen auf der Messe haben die beiden bei europäischen Galerien gemacht.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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Art Chicago
18 - 21.09.2014

Navy Pier
IL 60611 Chicago, 600 E Grand Ave
http://www.expochicago.com
Öffnungszeiten: Fr, Sa 11-19, So 11-18 h


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