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abc Art Berlin Contemporary : Baustelle und Zirkulation

"Definitiv keine Messe der schnellen Verkäufe!" – wer als Galerist derart abgeklärt wiederholt an der inzwischen 7. abc teilnimmt, der muss andere Motive für sein Hiersein haben. Und die decken sich nicht zuletzt bei den kleineren Galerien, die hinsichtlich einer Messeteilnahme inzwischen jeden Euro dreimal umdrehen und umso glaubwürdiger die Möglichkeit der inhaltlichen Vermittlung an ein interessiertes Publikum in den Vordergrund stellen. Unter der Direktion von Maike Cruse hat die Messe ihr kuratorisches Feigenblatt inzwischen weitgehend abgestreift, profitiert aber nach wie vor von ihrer konzeptuell beweglichen Aufplanung, die auch die Nachbarschaft gegensätzlichster Werke nicht scheut. So müssen sich gerade konzentrierte Arbeiten gegen ein nicht immer leises Umfeld behaupten, was entweder souverän überspielt – oder auch schon mal mit einem leichten Runzeln der Stirn von Seiten des Galeristen kommentiert wird. Mit 111 Galerien und 115 künstlerischen Positionen, die über die drei Hallen verteilt sind, versammelt die abc weiterhin mehrheitlich Berliner Händler, deren Spektrum von den bekannten Big Playern inzwischen bis zu dem immer noch als Projektraum geführten Grimmmuseum reicht: Honi soit qui mal y pense. Verschiedene Wiener Händler bereichern die Auswahl, etwa Rosemarie Schwarzwälder die Heinrich Dunsts Ordnungssysteme zeigt, Galerie Krinziger im Tandem mit Sies + Höke, mit vergleichsweise leicht goutierbaren Bildern Jonathan Meeses oder Georg Kargl mit Verdichtungen von David Maljkovic. Um die größte Aufmerksamkeit buhlen eine Reihe von nicht immer subtil durchdachten Installationen. Da zeigt Tobias Rehberger geometrisch gemaltes im Kleinformat auf zugehöriger Tapete im Großformat oder Douglas Coupland konfrontiert Utopien (Globen überzogen mit fröhlichen, bunten Farben) mit Dystopien (Globen übergossen mit bösem, glänzendem Schwarz). G.R.A.M. bei der Christine König Galerie präsentiert plakativ schlafende oder tumultös interagierende Volksvertreter (Politikerschelte) in der Nähe einer überdimensionierten Hängeleuchte von Kristof Kintera. Und wer offen für ein Schmunzeln ist, freut sich über die Arbeiten Christian Jankowskis, der Besucherkommentare zu Kunstausstellungen in Neon an die Wände des Innenhofs montiert und so auch Otto Waalkes zu neuen Ehren bringt. Wer noch in der Malerei das Spektakuläre sucht, wird fündig bei den grellen Fantasy Heroinen Martin Eders und dem silbern umkränzten Neosurrealismus Bernhard Martins. Im Kontrast dazu stehen die Zeichnungen Stefan Löffelhardts bei Aurel Scheibler, (2.000 bis 7.600 inkl. MwSt), abstrakte Landschaften, die der Tiefe industriell gefertigter Oberflächen nachspüren. Auch Barbara Weiss setzt mit Friederike Feldmann auf das klassische Medium und entfaltet auf großer Wandfläche ein Kompendium von Schrift, Landschaft und Porträt, die von der Künstlerin mit feinem Gefühl für die Handschriftlichkeit nach kunsthistorischen Vorbildern nachempfunden wurden (je 2.500 € inkl. MwSt). Alain Biltereyst findet hingegen die Vorbilder seiner abstrakten, einheitlich kleinformatigen geometrischen Kompositionen in der Alltagswelt, auf Lastwagen oder Gullideckeln; zu finden bei der Brand New Gallery (je 1.600 € + MwSt). Alltägliches Material bildet auch die Grundlage einer Installation von Vlatka Horvat. "On the Up Down" ist ein fragiler Dialog zwischen Laufbrettern, die im Gerüstbau Verwendung finden und Objekten wie Leitern oder Möbelfragmenten. Zak | Branicka und Annex 14 zeigen diese Arbeit gemeinsam, neben fotografischen Montagen (je 1.000 € + MwSt, Installation 18.000 € + MwSt). Die allgegenwärtige Displaythematik greift Ingo Mittelstaedt bei Stefan Koal überzeugend auf, wo der Fotokünstler das in seinen Aufnahmen begründete Erforschen der Wechselbeziehung von Zeigen und Verbergen mit Büchern und anderen Gegenständen kontextualisiert (Fotos zwischen 1.600 bis 2.000 € inkl. MwSt). Jacky Strenz setzt an anderer Stelle mit Raimer Jochims auf die Kraft der Farbe mit Bildern seines Spätwerks, die nichts an konzentrierter Energie eingebüßt haben (8.000 - 8.500 €). Und mit Skulpturen und Bildern von Athanasios Argianas bei Aanant & Zoo kann die virulente partizipatorische Aktivierung eines Werks auf ganz unspektakuläre Weise poetisch vollzogen werden (3.600 bis 20.000 € inkl. MwSt). Dieser im Ganzen gelegentlich auch dissonante Vielklang der abc, auf den sich eine Kritik der Messe leichthin kaprizieren könnte, ist durchaus eine Entsprechung zum Erscheinungsbild der Stadt, mit ihrer Heterogenität und ihrem ständigen Werden, zwischen Tiefe und Oberfläche. Und die an Teile von Klimaanlagen gemahnenden Objekte von Charlotte Posenenske, die gemeinsam von Mehdi Chouakri und der Konrad Fischer Galerie mit Geschick über die Räume des ehemaligen Postbahnhofs verteilt wurden (je 3.500 €), sind dafür die perfekte Metapher: Baustelle und Zirkulation als Prinzip.
Mehr Texte von Thomas W. Kuhn

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abc Art Berlin Contemporary
18 - 21.09.2014

Station Berlin
10963 Berlin, Luckenwalder Strasse 4-6
http://artberlinfair.com/


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