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Jokes

Da ist die Geschichte mit dem Handlungsreisenden, dem das Auto zusammen bricht. Zum Glück ist eine Farm in der Nähe, er fragt, ob er die Nacht über bleiben kann und erhält vom Bauern die Zusage. „Ich fürchte aber“, fügt er hinzu, „Sie werden Ihr Zimmer mit meinem jungen Sohn teilen müssen.“ Was soll das!, ruft darauf der Reisende, ich bin im falschen Witz! Im Orginal: „How about that! I'm in the wrong joke!“ Richard Prince, Untitled, 1987, Acrylic and silkscreen on canvas, 142.2 x 121.9 cm Vielleicht ist man doch nicht im falschen Witz, wenn man den kleinen Joke von der Leinwand herunter erzählt bekommt. Richard Prince hat ihn so inszeniert, als Schriftbild auf einem Gemälde, im Rahmen seiner eben „Jokes“ genannten Reihe, die nicht mehr und nicht weniger vorführt als die Kurzzeitbalgereien um die gelungene Pointe, für die mancher bekanntlich seine Großmutter verkauft. Und doch hat Prince, als Paradevertreter einer New Yorker Konzeptualität der Achtziger, mitten hinein gegriffen in die Theorie seiner Zeit. Im Moment hat Prince eine Retrospektive im Kunsthaus Bregenz. Die „Jokes“ kommen dabei nicht zu kurz. Mit der Konjunktur einer von Jacques Lacan weiter getriebenen Psychoanalyse und von Jacques Derridas Dekonstruktion war das Thema wieder aufs Tapet gekommen. Grundlage ist Sigmund Freuds einschlägiger Aufsatz von 1905: „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten“. Freud differenziert darin drei Lagen der Lustigkeit aus, den Humor, die Komik und den Witz, indem er sie einer Art Kommunikationsmodell einverleibt. „Der Humor ist die genügsamste unter den Arten des Komischen“, sagt Freud (zitiert nach Band IV der Studienausgabe), „sein Vorgang vollendet sich bereits in einer einzigen Person, die Teilnahme einer anderen fügt nichts Neues hinzu“ (S. 212). Das Komische demgegenüber setzt auf „zwei Personen, der einen, die das Komische findet, und der zweiten, an der es gefunden wird. Die dritte Person, der das Komische mitgeteilt wird, verstärkt den komischen Vorgang“, fügt aber ihrerseits „nichts Neues zu ihm hinzu.“ Doch schließlich: „Beim Witz ist diese dritte Person zur Vollendung des lustbringenden Vorganges unentbehrlich“ (S. 169). Der Witz, so Freuds Fazit, „wird gemacht, die Komik wird gefunden.“ Und Humor, so ließe sich hinzufügen, hat man. Der Witz funktioniert triadisch. Hier nun setzt die Dekonstruktion an: „Das Beispiel des Witzes erhellt sehr schön die eigentümliche Situation des Lesens. Der Zuhörer ist für den Witz wesentlich, denn wenn der Zuhörer nicht lacht, ist der Witz auch kein Witz. In diesem Fall spielt der Leser ganz im Sinne der Leserreaktionskritik eine entscheidende Rolle bei der Determinierung der Struktur und der Bedeutung der Äußerung“ (Jonathan Culler, Dekonstruktion. S. 78). Der Witz funktioniert nur, wenn einer lacht. Und wenn einer lacht, ist es so oder so ein Witz. Die Dekonstrutkion überträt das auf die Lektüre insgesamt. Entsprechend lässt es weiterleiten auf die Kunst. Um Kunst zu sein, muss einer es als solche verstehen. Und wenn einer es so versteht, ist es Kunst. Deklarations- und Situationsästhetik haben das seit den Sechzigern herausgearbeitet. Richard Prince wiederum hat den Mechanismus zur Kenntlichkeit gebracht, indem er ihn mit dem Witz kurzschloss. Ganz auf der Höhe der „Diskurse“. Abschließend noch einer von Princes „Jokes“, auf seine Art ebenfalls ein Stück Selbstreflexion der Kunst: „A pink elephant, a green kangaroo and two yellow snakes strolled up to the bar. 'You're here a little early, boys', said the bartender, 'he ain't here yet'.“ Richard Prince, He Ain't Here Yet, 1987, Acrylic and silkscreen on canvas, 142.2 x 121.9 cm
Mehr Texte von Rainer Metzger

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