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Der Standard

An diesem Wochenende gab es auf derstandard.at ein Lamento zu lesen, das eine Online-Redakteurin der F.A.Z. über die Gemeinheiten der Postergemeinde anstimmte. Die „Troll-Kommentare“, die dort trotz Klarnamenpflicht ihr Unwesen treiben, schlügen ihr auf die Seele, schrieb Andrea Diener. Auf der Website des Standard, wo man sich allein schon in der Dämlichkeit der Nicks gegenseitig zu übertreffen sucht, tat man so, als hätte man dafür heftigstes Verständnis. Nach Lage der Dinge ist das nichts als Heuchelei. Auf derstandard.at legen jedenfalls nicht nur Poster sondern auch redaktionell Verantwortliche in Sachen Unverschämtheit ihr Schäuflein nach. Einschlägig zu sehen jetzt wieder anlässlich der WM. Da gibt es beim Live-Ticker einen „Kommentator, nicht Moderator“, wie er selber betont, namens Tom Schaffer, bei dem kein Auge trocken bleibt. Natürlich hat er sein psychologisches Kleingeld mit den in Österreich handelsüblichen nationalistischen Ressentiments gegen die Deutschen geschlagen, Ressentiments, die er ebenso handelsüblich für Ausweise linker Gesinnung hält, doch das wäre nur das örtliche Problem. Zitieren wir also aus dem von Schaffer gemanagten Live-Ticker anlässlich des Vorrundenspiels Deutschland - Ghana. Schaffer: „Auweh. Müller blutend am Boden, nachdem er mit der Schulter Boyes Kopf attackiert hat.“ Reaktion eines Posters: „Jemand ist verletzt und blutet, und Tom Schaffer findet das lustig. Vielleicht macht auch mal jemand solche Witze, wenn Sie blutend auf dem Boden liegen.“ Antwort Schaffer: „Wie … (Name eines anderen Posters, R.M.) richtig erahnt hat und das 'Auweh' andeutet, hab ich das keine Sekunde witzig gefunden. Wie auch jeder gesunde Menschenverstand sofort verraten würde. Insofern: Arbeite an deiner Erwartungshaltung, nicht jeder meint alles so böse, wie du Würstl das deutest.“ Neuer Poster: „Trotzdem solltest ein bissi darauf achten solche Postings etwas neutraler darzustellen! Ich habe von niemandem sonst gehört, dass Müller die Schulter von Boye 'attackiert' hat. Du weißt sehr genau was für Vollkoffer hier ihr Unwesen treiben. Und den User dann als Würstl zu beschimpfen zeugt von hoher geistiger Reife, Herr Journalist.“ Antwort Schaffer: „Mimimi. Niemand hat das falsch verstanden, außer jene, die nach Dingen suchen, die sie falsch verstehen können. Haters gonna hate, I don't give a rat's ass.“ Wer hier an der Eskalation arbeitet, ist unschwer zu erkennen. Schaffer duzt jemanden, der ihn explizit mit Sie anredet. Und weil er schon bei der Sache ist, schiebt er ein „Du Würstl“ hinterher. Auf einen weiteren durchaus an der Versöhnlichkeit orientierten Beitrag reagiert er lautmalerisch. Was auch immer damit gemeint ist: Dass er sich mit dem so Angeredeten auf Augenhöhe befindet, geht aus dem „Mimimi“ sichtlich nicht hervor. Nun könnte man einwenden, es zeuge von Liberalität, wenn eine Redaktion jemanden zu Wort kommen lässt, der, sagen wir, Fünf gerade sein lässt. Eher aber scheint das Methode zu haben, und Schaffer gräbt gehörig daran mit, dass hier ein Qualitätsblatt den Bach hinunter geht. Zeitlgeich zur WM haben die renommierten Redakteure des Kulturteils Ljubisa Tosic, Ronald Pohl und Thomas Trenkler erfahren, dass sie gekündigt werden, und Ressortleiterin Andrea Schurians Posten wurde auf ein Minimum reduziert. Nach einigen Monaten sollen sie wieder eingestellt werden, und natürlich besteht die Logik des Neuanfangs in geringeren Bezügen. Es geht mir hier nicht darum, dass man an der Kultur spart. Auch in der Sport-Abteilung hat man, wie das heute heißt, „freigestellt“. Es geht mir darum, dass man Qualität los wird und sie ersetzt: Durch was eigentlich? Untergriffigkeit? Rabiatheit? Einen eklatanten Mangel an Manieren? Sicherlich, Tom Schaffer macht es preiswerter. Aber gleich so billig?
Mehr Texte von Rainer Metzger

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