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Art Basel 2014: Art Basel und die Poesie

"More Poetry is Needed." Mit dieser 40.000.- GBP teuren Aufforderung von Jeremy Deller, Englands Vertreter auf der letztjährigen Biennale von Venedig, die es am Stand des Modern Institute Glasgow zu bewundern gilt, soll der Rundgang zur 45. Art Basel eröffnet werden. Auffallend sind in diesem Jahr vor allem die buntbesockten, Hochwasserbehosten Junggaleristen mit opulentem Fancy-Schuhwerk. Ansonsten hat sich wenig verändert und rund 285 Galerien präsentieren ihre kostbaren Augenweiden. Nachdem im letzten Jahr zahlreiche Kunstwerke Provokationen zum Thema hatten und auch die Räumung des 'Prosecco-Favela'-Projektes des japanischen Künstlers Tadashi Kawamata durch das 'gekonnte Mitwirken' der Basler Polizei ausgezeichnet dazu passte, geht es in diesem Jahr eher gemütlich zu. Beim Rundgang fällt ein hoher Anteil an Kunstwerken auf, die sich in unterschiedlichsten Formen mit Sprache und mit visueller Rhetorik auseinandersetzen. Eigentlich war sie nie verschwunden, die Poesie. Doch nun tritt sie mit unverminderter Stärke und in herrlicher Vielfalt ans Kunstlicht. "Resist, remain, satisfy, unaware, awful, true, aggressive." In minutenlangen Abständen wirft eine sanfte Frauenstimme Begriffe in den Kunst-Rummel und stellt mit dem Robert Barrys Hörstück "Celebrate" (1972) die Wortkunst in den Raum. Zu haben um 20.000 Euro bei der Brüsseler Galerie Jan Mot. Dort findet sich auch eines jener raren Plakate von Robert Barrys 1969er "Inert Gas Series" Ausstellung bei Seth Siegellaub. Leider unverkäuflich. Ebenfalls bei Jan Mot gibt es von Mario Garcia Torres um 27.500.- Euro die mehrteilige Arbeit "Like You", die er im letzten Jahr anlässlich eines Symposiums in der Kunsthalle Zürich zum Besten gab. Hierbei handelt es sich um das Skript zu einem 15-minütigen Vortrag über Sammelleidenschaften, Kunstbetrachtungen und die Zweifel, die den Sammler beim Kauf ereilen. Bei der Galeria Juana de Aizpuru aus Madrid verflucht Heimo Zobernig in seinem unbetitelten Gemälde (2012) die Verflechtungen von Kunst und Markt. Vor blauem Hintergrund steht in blauer Schrift: "Fuck Sculpture Painting Financial Transaction Tax". Liam Gillick relativiert diesen Wutausbruch und schafft mit "An Economy of Equivalence" aus dem Jahre 2005 ein typographisch fein gestaltetes Werk, welches um 45.000.- USD bei der Londoner Galerie Maureen Paley zu erhalten ist. "If Pigs Have Wings" zeigt uns die Reagans gemeinsam mit den älteren Bushs bei der Amtsübergabe in Feierlaune. Martha Rosler trägt mit ihrer keck kommentierten Montage um 20.000.- Euro von der es bei der Berliner Galerie Nagel Draxler noch weitere zu entdecken gilt, zur allgemeinen Erheiterung bei . Wer den subversiven Humor der 70-jährigen Amerikanerin allerdings nicht mag, wird vielleicht an der stillen Ironie der Zeichnungen von Mark Dion Gefallen finden. Seine Zeichnungen sind treffende Momentaufnahmen und hinterfragen subtil die zunehmende Musealisierung unserer Welt; sie sind je nach Grösse fur 3.000.- bis 3.800.- Euro erhältlich. Für Liebhaber von Palmers-Plakaten gibt es noch eine grossformatige Fotografie von Joëlle Tuerlinckx zu entdecken. Angesichts all dieser sich im Kunstolymp umhertummelnenden Namen, die in diesem Jahr erstmals nicht mehr über den Katalog, sondern online (mit 'Save'-Funktion) über eine Datenbank abrufbar sind, mag so manch einer der kunstschaffenden Besucher bei der Galerie Nicolai Wallner aus Kopenhagen in Jeppe Heins gespiegelte Aluminiumfläche (2014) schauen und sich fragen: "Are You Really Here" (35.000.- Euro) um dann verzweifelt festzustellen, dass dem nicht so ist. So ergangen ist es der Schweizer Performance-Künstlerin Milo Moiré, welche die Messe im Eva-Kostüm – nur bedeckt durch Namen von Kleidungsstücken – besuchen wollte, aber dann doch an der Kasse scheiterte. Die Münchner Frauenrechtlerin Hannelory Mabry hätte mit Sicherheit wenig Gefallen an den Palmers Plakaten dafür umso mehr an Moirés Aktion gefunden. Im Archiv der Frauenbewegung des Instituts für Zeitgeschichte-Archiv wurde die Fotografin Annette Kelm fündig und lichtete mehrere der legendären Ponchos, die Hannelore Mahry in den 1970er Jahren eigens für die Teilnahme an Demos gestaltet hatte ab. Die Sprüche von einst wie "Keine Mark – kein Dollar – kein Rubel für Waffe! Der Feminist" oder "Menschenrecht statt Männerrecht" haben auch heute nichts von ihrer Sprengkraft eingebüsst. Das Diptychon ist bei der Berliner Galerie Johann König um 28.000.- Euro zu haben. Peter Kilchmann aus Zürich hält einige feine Arbeiten von Monica Bonvicini bereit, deren Botschaften vom Wunschdenken "How I Wish You Would Fall In Love With Me" (2001) über das Begehren "Desire" (2014) bis hin zur Unterwürfigkeit "Be my Dog" (2001) und der Erkenntnis – "Not for You" (2003) – angesichts der verschmähten Liebe ein Niemand "I'm a Nothing" (2003) zu sein handeln. Die einzelnen Werke dieser unglücklichen Liebesgeschichte sind zwischen 9.000.- und 25.000.- Euro erhältlich. Linderung bei Liebeskummer findet sich bei Gleichgesinnten, und hiervon bietet Peter Wüthrich eine Fülle an Auswahl. Sein bereits verkaufter Apothekerschrank ist wohl gefüllt mit Glasflacons und Dosen, die mit Buchinnentitelseiten zahlreicher Klassiker der Literatur beschriftet sind. Lesen als Medizin. Zu finden bei Gisèle Linder aus Basel, die gegenwärtig in ihrer Galerie weitere Werke des Berner Künstlers bereithält. Der Berliner Künstler Michael Müller präsentiert bei der Galerie Thomas Schulte gleich mehrere Kapitel aus Musils Mann ohne Eigenschaften, die er in seinem entfernt an Sanskrit erinnernden typographischen Alphabet neu kodiert hat. Die ungemeine für uns allerdings schwer leserliche Fleissarbeit besteht aus 800 raumgreifenden A4 Blättern und kann als Ganzes für 950.000 Euro oder kapitelweise zwischen 11.000.- bis 45.000.- Euro erworben werden. Auch Sigurdur Gudmundsson ist ein Mann des Buches und zeigt uns im Foto "Extension" (1974), was man mit Büchern sonst noch so alles anstellen kann. Zu finden sind diese und weitere Werke zwischen 9.000 bis 36.000.- Euro aus dem Frühwerk des isländischen Land Art Künstlers bei i8 Gallery aus Reykjavik. Sollten die "Shadows" der Vergangenheit jedoch nicht verschwinden, so bleibt als Trost, dass dem heutigen Tag "Another Day" folgt und diesem "Another Day". Vier "Shadows" (2014) von Matt Keegan finden sich um je 16.000.- USD bei der Galerie Pedro Cera aus Lissabon und die erfrischend farbigen sechs Werke "Another Day" der Marijke van Warmerdam um nur 4.000.- Euro bei der Amsterdamer Galerie Annet Gelink. Falls all dies nichts hilft, so bleibt als letzter Trost Rémy Zauggs Weisheit "And if death I were With blind eyes" (1998-2000), die es bei der Berliner Galerie Nordenhake zu erfahren gibt.
Mehr Texte von Harald Krämer

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Art Basel 2014
19 - 22.06.2014

Art Basel
4005 Basel, Messe Basel, Messeplatz Halle 1 und 2
http://www.artbasel.com


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