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Deutsche Philologie

Heute wieder einmal etwas aus dem aktuellen Heft des „Merkur“, Nummer 780, Mai 2014. Thomas Steinfeld, Redakteur der „Süddeutschen Zeitung“ setzt sich im Aufmachertext mit „Wissenschaft, Theorie und Methode in der Philologie“ auseinander. Eine Passage ist es speziell wert, dass man sie zitiert, denn sie lässt sich genauso auf die Kunstwissenschaft und angrenzende Praktiken der Rezensionen- und Katalogtextschreiberei beziehen. Steinfeld schildert darin seinen „Überdruss“ am allzu akademischen Handwerk: Er liege „in einem Gefühl von Missbrauch, oder genauer: in dem selten klar formulierten, aber latent stets vorhanden Bewusstsein, dass eine Theorie, deren Anwendung in erster Linie dem Zweck dient, die Gültigkeit eben dieser Theorie zu bestätigen, eine nicht nur unlautere, sondern auch unwissenschaftliche Angelegenheit ist“. Man kann Steinfelds Unbehagen gut verstehen, unsereinem geht es exakt genauso. Glücklich die Disziplin, in der das zumindest einer sagt. Wie ist Abhilfe zu schaffen? Natürlich durch größere Lauterkeit und Seriosität. Gibt es die? Ja, sagt Steinfeld, und führt an, dass in der Philologie diesbezüglich „nur der konservative (Weg) übrig geblieben“ sei. Und wer verkörpert sie? Da gäbe es „zwei Varianten“, meint Steinfeld: „Die eine ist eine erratische Gestalt. Sie heißt Karl Heinz Bohrer.“ Und „die zweite Variante des Konservativismus ist die Ideen- oder Geistesgeschichte“. Wer oder was könnte jetzt damit gemeint sein? „Das deutsche Literaturarchiv in Marbach“. Nachvollziehbar ist erstens, dass die linken Bestrebungen dahingehend diskreditiert sind, dass sie es waren, die das Theater der Theorie forcierten. Nachvollziehbar ist auch die Erwähnung von Karl Heinz Bohrer, des Elder Statesman der weiland bundesdeutschen Intellektualität (und Ex-Herausgebers des „Merkur“). Nachvollziehbar ist drittens die allgemeine Nennung der Ideengeschichte. Aber dann wird’s heikel. Was hat Marbach hier zu schaffen? So, als wäre dann etwa die Arbeit der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen die Perspektive der Kunstwissenschaft auf Seriosität. Fassen wir es kurz. Direktor in Marbach ist Ulrich Raulff. Der wurde 2001 Feuilletonchef der SZ, wo Steinfeld gleichzeitig Literaturchef wurde. Beide sind sie in diesem Jahr mit gewissem Getöse aus der FAZ ausgetreten, weil sie Händel hatten mit deren Herausgeber Frank Schirrmacher. 2012 erschien ein Roman mit dem gut abgehangenen Titel „Der Sturm“, ein schwedischer Krimi von der Hand eines gewissen Per Johannsson, in dem genüsslich die von Dachsen angefressene Leiche eines Zeitungsmenschen geschildert wird, der Schuhe der Marke „Hutmacher“ trägt. Überhaupt steht FAZ-Mastermind Schirrmacher ziemlich deutlich im Mittelpunkt der Fledderei, worauf in einer Besprechung Richard Kämmerlings, Redakteur der „Welt“, hinwies und sich die nicht unplausible Frage stellte, was ein Adept von Henning Mankell mit einem deutschen Haupt- und Staatsjournalisten zu schaffen hätte. Per Indizienbeweis arbeitete Kämmerlings heraus, dass nur Steinfeld der Autor des sinistren Thrillers sein kann, was dieser dann auch bestätigte. Kämmerlings übrigens war 2001 ans Feuilleton der FAZ gekommen, als dort einige Stellen vakant geworden waren. Seit langem schon arbeitet sich wiederum der „Merkur“ an Schirrmacher ab. Als Konrad Adam 2000 sich seinetwegen aus der FAZ verabschiedete, durfte er die Verwünschungen, die ihm am Herzen lagen, im „Merkur“ ausbreiten. Voriges Jahr wurden Schirrmacher ebenda all die Fehler vorgezählt, die in seinen Büchern ihr Wesen treiben (siehe meinen Blog „Sorgfaltspflichten“). Und nun die konzertierte Aktion, die gewisse Verwerfungen in den feuilletonistischen Seelen gleich wissenschaftsrelevant zu machen sucht: Als wäre die Anwendung von Ressentiments der Beweis ihrer Gültigkeit. So glücklich ist die philologische Disziplin dann wohl doch nicht. Zwei Anmerkungen noch: Steinfeld hat sich aus der Debatte gerade herausgenommen und arbeitet seit Anfang 2014 als Kulturkorrespondent der SZ in Italien. Schirrmacher wiederum ließ anlässlich des Romans „Der Sturm“ mitteilen, er lese keine schwedischen Krimis.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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