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The Essence 14: Visionär Interdisziplinär

Die Angewandte hat wieder die spannendsten Resultate des vergangenen Studienjahres herausgeschält und präsentiert (stolz wie die Banane auf dem vielsagenden Plakat) ihre Jahresausstellung im Wiener Künstlerhaus: The Essence 14. Offensichtlich hat sich die interessante Vielgestalt der Show herumgesprochen, denn zur Eröffnung wurde das Haus regelrecht gestürmt. Am Abend des 25. Juni sollen an die 2500 Personen in die Ausstellung geströmt sein. Der Parcours hebt an mit einem Werbefilm aus Grafik und Werbung (unter Matthias Spaetgens), nicht für ein Konsumprodukt, sondern für eine Sozialleistung. Das Leid des Alters wird mit einem bizarren, offensichtlich sehr beschwerlichen Altersanzug nachvollziehbar vorgeführt, mit eindeutiger Aufnahme und Schnitt ungekünstelt auf das Publikum abgezielt und durchaus professionell ans Herz gelegt; von Jeffrey Guan, Johanna Kleedorfer, Doris Lang, Christoph Schütz, Paul Gruber, Felipe Kolm und Andreas Konvika. Die zwei Institute für Industrial Design zeigen auf der einen Seite angewandtes Produktdesign (unter Paolo Piva) und auf der anderen Seite (unter Fiona Raby) das weite experimentelle Feld, in dem sich Design mit sozial-ökologischer Orientierung als fantastische Erfindung verwirklichen will. So entwickelte Peter Schanz diverse Modelle eines Fahrzeugs, das mit Algenantrieb ermöglicht, umweltfreundlich durch die Stadt zu navigieren. Johannes Müller visualisierte seinen Traum einer fahrerInnenlosen Automobiltechnologie, in dem es nicht um das effiziente Bewältigen von Strecken geht, sondern um ein sinnliches mobiles Erleben der Stadt. Es sind fantasievolle Versuche, einen visionären Ansatz mit interdisziplinären Strategien in sinnvolle Produkte umzusetzen. Grafik Design unter Oliver Kartak konzentriert sich auf allgemein gegenwärtige Problematiken. So wird der nicht vertretbare globale Wasserverbrauch in der interaktiven Installation von Sebastian Kubik und Linus Merlin Resch als Missbrauch augenscheinlich vorgeführt. Für eine kleine Flasche Orangensaft leuchten die dicht gereihten 1,5 Liter–Wasserflaschen an einer ganzen Wandfläche in bezeichnenden Farben auf. Das große Format ist unmissverständlich und ästhetisch zugleich. In der Fotografie werden unter Gabriele Rotheman programmatisch die disziplinären Grenzen überschritten; z.B. zur Konzeptkunst und konkreten Poesie, wenn Bastian Schwind eine Landschaftsfotografie mit einer mechanischen Schreibmaschine Zeile für Zeile mit Attribut für Attribut abtippt, sodass Worte wie „Beton Beton Beton Himmel Himmel Himmel“ die gesamte Bildfläche abdecken. In eine fotografische Reproduktion in vergrößertem Maßstab übertragen, stimmt diese Textlandschaft allerdings nachdenklich. Die Digitale Kunst unter Ruth Schnell präsentiert einen Extrakt ihrer erfolgreichen Ausstellung Digit@l frictions (04.12.2013 bis 14.12.2013) im weissen haus (Siehe die artmagazine Kritik). TransArts (unter Ricarda Denzer, Roman Pfeffer und Nita Tandon) zeigt sehr unterschiedliche Möglichkeiten kategorisch begrenztes Terrain zu verlassen. Dorothea Trappel thematisiert in fünf parallel laufenden Videos das Phänomen des Wartens. Ausgehend von fünf Dramen der Theatergeschichte fokussiert sie die Phase nach der jeweiligen verhängnisvollen Tat: Für den Täter oder die Täterin scheint der Moment zu einem unendlichen Stillstand gekommen zu sein, dessen Widersprüchlichkeit von einer grausamen, unerträglichen Poesie ist. Raphael Dörfler hinterfragt die Menschlichkeit unseres Mensch–Seins. Die Funktion des Herzens wird mit Autoteilen und Fahrradstücken als ein motorisierter Kreislauf repräsentiert. Die Inbetriebnahme gibt einen aufheulenden Lärm und ziemlichen Gestank ab. Das menschliche Blut ist durch das zirkulierende Servoöl versinnbildlicht und das Herz durch eine strapazierte Maschine. Barbis Ruder aus der Transmedialen Kunst (unter Brigitte Kowanz) schichtet mit fünf Screens die Videos von fünf Performances im urbanen Raum zu einer verdichteten feministischen gesellschaftskritischen Aussage. Die Malerei zeigt diesmal unter Emma Rendl Denk für die Angewandte neue unerwartete Perspektiven auf. Es geht um Funktion, Konstruktion und Dekonstruktion von gesellschaftlichen Zuschreibungen und Neuordnungen. Die subjektiven Auseinandersetzungen mit der Thematik der Identitätsfindung führen zu sehr individuellen Resultaten. Die monumentale Fahne von Gert Resinger kritisiert ihren eigenen ideologischen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Das Werk ist genauso überzeugend wie die intime minimalistische Variante von Yosok Park Krentzels Tafelbild. Marta Masternak setzt die Dialektik prozesshaft im Skulpturalen fort. Die drei Studios der Architektur (Zaha Hadid, Greg Lynn und Hani Rashid) trumpfen wieder mit einem spektakuläres Statement auf: professionell in der Planung wie in Durchführung, perfekt im Detail der ausgestellten Modelle wie in der großen bühnenhaften Inszenierung. Die futuristischen Architekturen sind auf unterschiedlich hohen Sockeln großzügig gruppiert. Die betonte Objekthaftigkeit der Modelle wird durch die Verspiegelung aller tragenden und umgebenden Oberflächen überhöht. Die BesucherInnen gehen selbst auf und zwischen den multiplizierten Spiegeln und Spiegelbildern. Versetzt in einen Zustand eigenartig entrückter Befindlichkeit wandelt man in einem aufgesplitterten Raum umgeben von schwebend wirkenden visionären Schöpfungen. Die Studierenden der Bühnen– und Filmgestaltung (unter Bernhard Kleber) transferierten ihre nostalgische Bar aus dem Institut in einen eigens gebauten Turm im Hauptsaal der Ausstellung. Die getäfelte Kulisse mit gedämpftem Licht ist mit Münztelefon und passender musikalischen Untermalung komplettiert. Es wird zu Wasser, Kaffee und elektrischer Zigarette geladen, ein gelungener, sehr lebendiger Beitrag. In Kunst und kommunikativer Praxis haben unter Karl–Heinz Ströhle Studierende des ersten Semesters ihre künstlerischen Kommentare zur Theorie der Wahrnehmung als digitale Animationen in Form von Apps gestaltet. Die Referenzen an die Kunstgeschichte haben zu interessanten Lösungen geführt. Die entwickelten Bewegungsabläufe von Formen und Farben sind spannend und kontrastreich, dabei ästhetisch ausbalanciert – ein beeindruckendes Resultat. Und in Bälde ist die Reihe der Animationsfilme von der Homepage der Angewandten als App auch abrufbar. Die Angewandte zeigt sich mit The Essence 14 erneut als ein experimentelles Entwicklungsfeld mit vielversprechendem Potenzial. Die unterschiedlichen Künste, Disziplinen und ihre neueren grenzüberschreitenden Modalitäten bieten eine sehr abwechslungsreiche und vitale Präsentation. Die Dichte des Vernissagen–Publikums ist sicher als großer Erfolg zu verbuchen, doch wäre eine konsequentere Betreuung der laufenden Ausstellung wünschenswert. Denn interessierte BesucherInnen, die vielleicht die eine oder andere Person aus der Schar der ausstellenden Studierenden für eine weiterführende professionelle Zusammenarbeit abholen wollen, sind jedenfalls zu erwarten.
Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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The Essence 14
26.06 - 13.07.2014

Künstlerhaus Wien xx
1010 Wien, Karlsplatz 5
Tel: 01 587 96 63, Fax: 01 587 96 36
Email: office@k-haus.at
http://www.k-haus.at/
Öffnungszeiten: täglich 10 - 18, do 10 - 21 uhr


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