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Simon Dybbroe Møller: Ekel, Erkenntnis, Authentizität

Eigentlich soll aus Wachs oder Kunststoff nachgebildetes Essen den Appetit anregen, der ultimative Illusionismus japanischer Speisekarten in 3-D. Doch bei Simon Dybbroe Møller (*1976 in Århus) will sich die beabsichtigte Wirkung nicht einstellen. Ob in Schwarzweiß oder in Farbe, auf weißen Tellern drapiert: die halb genossenen Gerichte locken keineswegs. Vielmehr suggerieren die künstlichen Appetizer, dass ein gut Teil schon verinnerlicht wurde. Wo kippt hier das avisierte hungrig-lustvolle Begehren in den Ekel, oder anders im Sinne des in Berlin lebenden Konzeptkünstlers formuliert, das Erotische in das Pornografische. Der ganze Prozess der Einverleibung: der Däne spiegelt darin auch den Prozess visueller Wahrnehmung ein. Das zugehörige Video „Untitled (How Does is Feel)“, betitelt nach einem Lied des Rythm and Blues Musikers D’Angelo, läuft gleich auf drei Monitoren und vermittelt den Prozess der medialen Verinnerlichung. Zu sehen ist als zentrales Sujet die Digitalkamera „Canon EOS 5D Mark II“, die als erste seit 2008 sowohl für hochauflösende Film- wie Fotoaufnahmen geeignet ist. Simon Dybbroe Møller zeigt diese Kamera, filmt und fotografiert mit ihr Speisen, deren optisch vermittelte Appetitlichkeit im krassen Gegensatz zur Produktionsweise von „Food Photography“ steht, die ähnlich den Kunststoffgerichten im japanischen Restaurant alle erdenklichen und für Menschen ungenießbaren Mittel einsetzt, um Lebensmittel für Lifestyle Magazine köstlicher als köstlich erscheinen zu lassen. Wo also ist die Realität? Worauf reagiert der Betrachter und die Betrachterin? Wie verhält sich der natürliche Körper gegenüber dem Surrogat? Umgelegt auf das zwischenmenschliche Begehren, den Körper des Anderen, des anderen Menschen, ergänzt Simon Dybbroe Møller seine Ausstellung für die Zeit des Gallery Weekends mit einer Skulptur auf der Kurfürstenstraße 142. Eine mit Spritzbeton überzogene Schaufensterpuppe verkörpert nicht nur eine sportliche Gestalt – mit allen gegenständlichen Attributen eines Sportlers. Im selben Maße verkörpert sie in ihrer spezifischen Form eine Idee künstlerisch erfasster menschlicher Gestalt. Im Grunde ist sie aber nur ein weiteres Surrogat. Doch liefert die Verknüpfung von Ekel und Erkenntnis, die auch dem sehr eigenen Ort geschuldet ist, die Vorstellung einer Möglichkeit von Authentizität als Kunst.
Mehr Texte von Thomas W. Kuhn

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Simon Dybbroe Møller
03.05 - 14.06.2014

Galerie Kamm
10178 Berlin, Rosa-Luxemburg-Straße 45
Tel: +49 30 28386464, Fax: +49 30 28386464
Email: info@galeriekamm.de
http://www.galeriekamm.de
Öffnungszeiten: Di-Sa 11-18 h


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