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Der Sammler

Die Sammlerperson, und damit sind Erwerber en gros gemeint, nicht jene Liebhaber, die ab und zu vom Galeristen ihres Vertrauens ein Stück ans Herz gelegt bekommen, diese Figur, die mit einer schönen Unterscheidung aus dem Englischen eher „Gatherer“ ist, An-Sich-Raffer, als „Collector“, Jäger-nach-dem-Besonderen, eine solche Sammlerperson erklärt sich nach zweierlei Psychologien. Zum einen, Frau Stoschek oder Herr Flick seien dabei Paradebeispiele, funktioniert sie nach dem Prinzip Enkel oder Urenkel. Ein Altvorderer aus eher niedrigen Verhältnissen bringt es mithilfe der üblichen bürgerlichen Tugenden nach oben, gründet einen Betrieb, wird reich und trägt das Vermögen weiter, wo es vermehrt oder wenigstens gesichert wird, um von der Enkelgeneration im Kulturellen, hegelianisch gesagt, aufgehoben zu werden. „Den Erben lass verschwenden...“ beginnt Hugo von Hofmannsthals „Lebenslied“ von 1896, der Dichter ist so etwas wie der Kronzeuge des Prinzips. Zum anderen, nehmen wir Herrn Essl oder Herrn Ludwig als Exempel, funktioniert sie nach dem Prinzip Aufsteiger, der in eine reiche Familie einheiratet. Immer ein wenig parvenuhaft wirkt das Bemühen, um so ausufernder geraten die Kollektionen, und nicht bei allem, was man hortet, überwiegt die Qualität die Quantität. Auch hier gibt es einen Präzedenzfall, es ist der Herzog Albert, der Begründer der nach ihm benannten größten Grafiksammlung der Welt. Sein Haus widmet ihm gerade eine wunderbare, sagen wir, Retrospektive seines Wirkens. Der Anlass dafür ist ein wenig sekundär: Vor 250 Jahren hat Albert, der Abkömmling aus sächsischem Adel, der mit den Großen seiner Zeit eher nebenbei verwandt war, Marie Christine kennengelernt, die Tochter der Kaiserin Maria Theresia, und ziemlich unüblicherweise entstand daraus eine Liebesbeziehung. Die Heirat war unstandesgemäß. Albert hatte nun ein langes Leben Zeit für die Kompensation, zu der sich die Kunst bekanntlich besonders gut eignet. Anonym, Herzog Albert von Sachsen - Teschen mit dem Plan der Schlacht von Maxen, 1777, Albertina, Wien (Dauerleihgabe des Kunsthistorischen Museums Wien, Gemäldegalerie) Albert ist ein typischer Vertreter der Sattelzeit, Altes und Neues, Ancien Régime und Revolution kommen zusammen. Er absolvierte seine Grand Tour, doch seine Gattin war ganz touristisch dabei. In Italien begann man in aristokratischer Manier, Bilder zu erwerben, doch nach Maßgabe der aufklärerischen Enzyklopädie wurde Wert gelegt auf eine ungewöhnliche Art von Vollständigkeit. Das Paar vertrat seinen Geschmack, der über alles ging, doch man horchte beflissen auf die Kennerschaft der soeben entstehenden Kulturgeschichte. Die Gemahlin wurde ihrer Abkunft entsprechend Statthalterin der Niederlande, Albert spielte jetzt First Husband mit den Rechten und Pflichten der Repräsentation. Als die Revolution tatsächlich eintrat, wurde man so etwas wie unehrenhaft entlassen, ließ sich entschädigen, ging zurück nach Wien: Dort hatte Albert mit der reichlich skurrilen, auf bürgerliche Weise der Arkanpolitik des Adels Paroli bietenden Freimaurerei angebandelt, hier traf er Spezialisten und verlegte sich schließlich ganz auf seine Sammlung. Die Gattin war 1798 gestorben, Albert bestellte das beste Grab beim besten Bildhauer seiner Zeit, und womöglich ist Antonio Canovas Epitaph in der Augustinerkirche der deutlichste Beleg für die Kompetenz des Kommissionärs. Die Albertina verdankt ihm 14.000 Handzeichnungen und 200.000 Druckgraphiken. Raffael, Michelangelo, Rubens und die anderen Großmeister kamen mit ihm nach Wien, Dürer war schon da, den tauschte Albert beim Kaiser gegen Drucke ein. Ein Drittel des Eingebrachten stammt von Zeitgenossen. Ganz der moderne Sammler, der mit ihm beginnt, hatte Albert sein Faible fürs Aktuelle.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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