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Art Cologne 2014: Langsame Entwicklung für bedächtige Käufer

Das Bild wirkt fast ein wenig beängstigend: "Die Art Cologne ist wie ein großes Tier, das sich sehr langsam bewegt und nicht besonders hungrig ist", fasst eine amerikanische Galeristin ihren Eindruck von der ältesten Kunstmesse der Welt in Worte. Da ist durchaus etwas dran. Der Wiederaufstieg der Art Cologne in die Riege der großen internationalen Messen wird von Direktor Daniel Hug behutsam betrieben. Die Zahl der von ihm angeworbenen Top-Galerien wächst langsam, aber beständig; er will den Marktplatz nicht überfordern und nur entsprechend dem Sammlerzuspruch wachsen. Das scheint in diesem Jahr wieder der Fall zu sein. Zur Vernissage am Mittwoch wurden knapp drei Prozent mehr Besucher gezählt, darunter wieder mehr Belgier, die zuletzt Köln ferngeblieben waren wegen der terminlichen Kollision mit der Art Brussels. Was sie und andere zu sehen bekommen, ist international konkurrenzfähig und kann durchaus teuer sein. Paul McCarthys lebensechter Alpenmann aus Latex, der sich bei Hauser & Wirth (London/Zürich) im schmuddeligem Filzhut und Hemd mit heruntergelassener Hose hinternpumpend am Spundloch eines großen Bierfasses abmüht, dürfte wohl eher als Hingucker dienen und es schwer haben, für 1,8 Millionen Euro einen Käufer zu finden. Die Gemälde und Skulpturen von Georg Baselitz zu Preisen im hohen sechsstelligen und niedrigen siebenstelligen Preisbereich bei Thaddäus Ropac (Salzburg/Paris) sollten im Rheinland jedoch ihre Liebhaber finden. Mut zur Lücke beweist die Münchener Galerie Thomas, die nur ein einziges Werk am Stand präsentiert. "Eigentlich wollten wir gar nichts hängen", erklärt Silke Thomas. Jetzt prunkt Franz Marcs "Angst des Hasen" zum Preis von 9,4 Millionen Euro an der Kojen-Rückwand. Anlass für diesen Akt kaufmännischen Irrsinns ist das 50. Jubiläum der Münchener Galerie, die als einziger Teilnehmer auf jeder Ausgabe vertreten war. Kunstwerke im etwas niederschwelligeren Milionenbereich sind im unteren Geschoss wieder mehr als in den Vorjahren und vor allem bei der Klassischen Moderne zu finden. Die Galerie Schwarzer aus Düsseldorf etwa hat einen über alle Zweifel erhabenen Max Ernst für 1,25 Millionen und ein Stilleben von Max Beckmann für 1,9 Millionen Euro im Angebot. Henze & Ketterer aus Wichtrach in der Schweiz hat gleich zwei Gemälde von August Macke zu je 2,5 Millionen Euro am Stand. Bei Samuelis Baumgarte aus Bielefeld gibt es einen Fernando Botero für 1,05 Millionen, aber “nur” US-Dollar. Die Galerie von Vertes aus Zürich klotzt gleich mit mehreren Werken im siebenstelligen Bereich von mehreren Künstlern, unter anderem einem Abstrakten Bild Gerhard Richters für 4,8 Millionen Euro. Richter in abstrakt und siebenstellig wird allenthalben angeboten, aber wer will das schon? Gekauft wird vor allem in fünf- und sechsstelligen Gefilden, wo sich Erstaunliches tut. Mehrere Aussteller berichten, dass sie vor allem an die Region inklusive Nachbarländer verkauft haben, aber vornehmlich bis ausschließlich an Neukunden. Die Galerie Koch aus Hannover etwa bestätigt diese Beobachtung nach kurzem Nachdenken. Diese Regel gilt allerdings nicht für das obere Stockwerk mit der aktuellen Kunst. Hier zeigt sich Stärke des oft als provinziell und etwas langsam verspotteten Rheinlandes. Dass in den Boomjahren nicht jedem Trend hintergelaufen wurde, beweist sich jetzt als Stärke. Es dürfte kaum eine Region geben, in der so ernsthaft, beständig, aber eben auch bedächtig zeitgenössische Kunst von Privat gesammelt wird. Das mag gerade an den beiden Werktagen nach der Vernissage wie gepflegte Langeweile in den Gängen aussehen. Mittelständische Sammler mit Interesse an Inhalten wählen jedoch gerade diese Tage für Erkundungen, weil sie und die Galeristen dann die Zeit finden für intensive Gespräche. Denn die Hatz nach dem neuesten Modekünstler ist des Rheinländers Sache nicht. Um im Wettrennen nach der ultimativen Trophäe im Glitzerkunst-Markt mitzuhalten, fehlt den meisten nicht nur das Geld, sondern vor allem der Wille. Stattdessen beäugt man lieber die Produktion des Nachwuchses und der Auswärtigen. Bisweilen gestaltet sich das zum Geduldsspiel für die Angereisten, doch die zahlt sich irgendwann aus. Das bestätigt Andreas Schleicher von Schleicher/Lange aus Berlin, der sich in seiner dritten Ausgabe über Zuspruch der hiesigen Sammler freuen kann, der sich nicht nur in Gesprächen, sondern auch in klingender Münze auszahlt. KOW, ebenfalls aus der Hauptstadt, zeigen in diesem Jahr "historische" Arbeiten von Alice Creischer aus den späten 90ern, verkaufen hingegen zahlreich Fotos von Tobias Zielony, den sie im letzten Jahr dabei hatten. Insgesamt neun Abzüge aus 6er-Auflagen mit Preisen zwischen 7.800 und 9.500 Euro konnten sie vermitteln, unter anderem an die Ankaufskommission des Bundes. Während sich am Rhein die meisten Dinge eher langsam entwickeln, arbeitet die Messe kontinuierlich an ihrem Erscheinungsbild. Die Kooperation mit der New Art Dealers Alliance und ihrer Messe NADA aus den USA hat nach zwei eher lieblosen Ausgaben eine ansprechende Form gefunden. Bei den "Cooperations" können entweder zwei Galerien oder zwei Künstler einer Galerie eine gemeinsame Präsentation vorstellen. Das Ergebnis darf als durchgängig gelungen gelten. Es stellt sich allerdings die Frage, welchen Anteil die NADA an der Sektion noch hat, da die meisten Galerien zwar Mitglied des Verbandes sind, jedoch ohnehin aus Europa stammen oder langjährige Art Cologne-Teilnehmer sind. Dass viel Erwartbares und Mainstream in der jungen Abeilung gezeigt wird, ist ein Phänomen, mit dem die Art Cologne nicht allein ist. Vielmehr stehen alle Messen weltweit vor dem Problem, dass junge Kunst jenseits des Hypes kaum noch nachgefragt wird. Das Angebot, das Künstler und Galerien machen, ist geprägt vom Kampf um Umsatz und Marktanteile. Finanziell riskante Experimente kann und will sich kaum jemand leisten. Das ist in Köln nicht anders als in Basel oder London. Dabei ist am Rhein vielleicht noch am ehesten Raum für Neues: Die Standmieten sind im internationalen Vergleich moderat, und hier kauft der Sammler noch selbst - ohne Berater und Ranglisten.
Mehr Texte von Stefan Kobel

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Art Cologne 2014
10 - 13.04.2014

Art Cologne
50679 Köln, Hallen 4 - 5, Messeplatz 1
Tel: +49-221 821 32 48
Email: artcologne@koelnmesse.de
http://www.artcologne.de
Öffnungszeiten: täglich 12 - 20 Uhr


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