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Kokoschka und sein Preis

In seiner Akzeptanz des Apolitischen war Oskar Kokoschka in der Nachkriegszeit zum Politikum geworden. Die Restauration gefiel sich in Hommagen an einen Künstler, dessen Antifaschismus, anders als bei manchen, die ihn ehrten, außer Frage stand. 1949 bekam Kokoschka den Auftrag, Theodor Körner zu porträtieren, damals Bürgermeister der Stadt Wien, ab 1951 dann Präsident Österreichs. 1961 wurde Kokoschka Ehrenbürger der Hauptstadt, zehn Jahre davor war er es bereits von Pöchlarn, seinem Geburtsort, geworden. 1975 akzeptierte er die Wiederverleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft; weil man dafür eine Adresse brauchte, ließ Bruno Kreisky, der Kanzler, es sich nicht nehmen, die eigene einzutragen. 1976 gibt ihm die Universität Salzburg den Doctor Honoris Causa. Auch in Deutschland wurde Kokoschka mit jener brachial subtilen Differenzierung empfangen, nach der er weniger als politischer Maler denn als Maler der Politik galt. Nacheinander durfte er die Honoratioren auf die Leinwand bringen. 1950 gestaltete er das Bildnis des ersten Bundespräsidenten Theodor Heuss, mit dem ihn fortan eine gute Freundschaft verbinden sollte. 1959 ist Ludwig Erhard an der Reihe, damals Minister und der vielgelobte Vater des deutschen Wirtschaftswunders, später Bundeskanzler. 1966 porträtiert er Konrad Adenauer, den ersten Regierungschef der Bundesrepublik, der bis 1963 im Amt war und hochbetagt in seinem italienischen Ruhesitz Cadenabbia die Sitzungen über sich ergehen ließ. Sechs Seiten widmet Kokoschka in seiner Lebensbeschreibung der Begegnung mit dem Altkanzler, „der mir in Freundschaft so nahe gekommen war“. Adenauers Biograf Wilhelm von Sternburg betrachtet die Sache von der anderen Seite: So „fanden die beiden alten Herren zwar Gefallen aneinander, aber das in diesen Tagen entstandene Werk blieb dem Porträtierten wohl doch recht fremd.“ Wie auch immer, Kokoschka pflegte Kontakte in die höchsten Kreise. Er pflegte sie vom Genfer See aus, von Villeneuve im Schweizer Kanton Waadt, wohin er mit der Gemahlin Olda 1953 gezogen war. Bei allen Honneurs, die man ihm in Österreich und in Deutschland machte: In den beiden Ländern, die seine künstlerische Sozialisation sahen und auf ihre Weise beeinflussten, wollte er jedenfalls nicht mehr wohnen. Es ging ihm da nicht anders als zum Beispiel Thomas Mann, der sich in seinen Betrachtungen „Die Entstehung des Doktor Faustus“ darüber mokiert, wie er, der alleraufrechteste Deutsche, der mühsam seine demokratische Wende vollzogen hatte und ins Exil gezwungen worden war, jetzt als Vaterlandsverräter gehandelt wurde: „Nun war über den Ofenhockern der Ofen zusammengebrochen“, schreibt er über die Vertreter der sogenannten „Inneren Emigration“, die, wie Gottfried Benn oder Emil Nolde, im NS-Reich geblieben waren, „und sie rechneten es sich zu großem Verdienste an, ergingen sich in Beleidigungen gegen die, welche sich den Wind der Fremde hatten um die Nase wehen lassen.“ In allererster Linie blieb Kokoschka dabei Künstler, ein beispielhafter Künstler, der wusste, dass die Welt durch ihn hindurchmusste, um zu bestehen. Als man ihm zum 75. Geburtstag gratulierte, kam als Antwort das folgende, in seinem abgründigen Wissen gleichsam allgemeinverbindliche Lamento: „Wie kommt man nur dazu, alles wegen der verdammten Erfindung des Kalenders, die viel verheerender ist als jene der Atombombe, dank welcher bloß einige Hunderttausende starben, während der Kalender jedem Menschen auf der Welt seine Lebensspanne abmißt, gottverfluchte Erfindung! Ich merke es an dem Haufen von Lorbeeren, die mir jetzt in den Topf geworfen werden, gerade so, als ob ich schon abgehäutet, zugerichtet, tranchiert und mundgerecht für den Nachruf gemacht werden sollte.“ Was ist schon der atomare Overkill gegen die Tatsache, dass auch er es nicht bis zum jüngsten Tag schaffen wird. Peter Weibel, Foto: ONUK, © ZKM | Karlsruhe 1980, in seinem Todesjahr, wird von der Republik Österreich ein Staatspreis für bildende Kunst ausgelobt. Alle zwei Jahre wird er vergeben, benannt nach dem Meister, von dessen überragender Bedeutung nunmehr alle überzeugt waren. Am 28. Februar, am Vorabend des Geburtstags, wird der Oskar-Kokoschka-Preis wieder vergeben. An Peter Weibel. Für ein Oeuvre, das auch ein Lebenswerk ist. Wir gratulieren.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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