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Backdoor Fantasies: Infiltration statt Dekoration

Es bedarf keines ausgeprägten Voyeurismus, um von ein wenig Neugierde getrieben den Blick hinter die Kulissen für die Öffentlichkeit meist verschlossener Räume zu wagen – wenn sich die Gelegenheit bietet. Die Kuratoren der Ausstellung „Backdoor Fantasies“ Julia Höner und Ludwig Seyfarth bieten mit ihrer Ausstellung im Düsseldorfer Medienhafen eine Hilfestellung für dieses Erkenntnisinteresse an. Erstmals ergänzen sie mit ihrem Projekt die Loft-Ästhetik der privaten Kunsthalle und führen ihre Besucher u.a. in eine leer stehende Büroetage, eine Kanzlei, ein Hotelzimmer und verschiedene Außenstellen, die zur Erkundung des ehemals vom Warenverkehr geprägten Orts einladen. Die Kuratoren sehen das seit den 1970er Jahren transformierte Hafenareal am Rhein als exemplarisch für andere Stadterneuerungsprojekte an, die den Wandel hin zur Dienstleistungswirtschaft dokumentieren. Ihr Vorwort nimmt kritisch Stellung zu diesem Prozess und der dekorativen Aufgabe, die der Kunst in diesem Zusammenhang zukommt. Die ausgewählten Werke sind aber nicht als explizite Kritik an dieser beim Stadtmarketing beliebten architektonischen Landschaft angelegt, sondern als atmosphärische und narrative „Infiltration“ des Areals. Dieses Konzept folgt damit zugleich einem Plädoyer für die Autonomie des künstlerischen Werks gegenüber einer Kontextualisierung, die auch als eine Art Beschränkung begriffen wird. Nichtsdestoweniger sind dennoch zwei Arbeiten eng mit der konkreten Umgebung verknüpft. So zeigen die Fotografien von Tata Ronkholz aus der Zeit um 1980 im Stil der Düsseldorfer Fotoschule den Status Quo des Hafenareals vor seinem Umbau. Jan Hoeft hingegen platziert auf dem Vorplatz eines Hotelkomplexes eine große LED-Projektionsfläche, über die er seinen Film „Exit Strategies“ präsentiert, die den Fluchtwegen zeitgenössischer Gebäude gewidmet ist. Im Regelfall unbenutzt stehen ihre Außentüren und Treppen für den Versuch der Planbarkeit des Akzidentiellen. Andere Werke wirken vor allem verstörend, wie die Installation „Two Whores in the same Dress“ von Anna K.E. Bestandteil ist ein Film, der die georgische Künstlerin beim Balletttanz durch ihr Atelier zeigt: die Kamera auf Bodenhöhe. Am Ende bleibt die Künstlerin auf den Spitzen ihrer Ballettschuhe stehen und eine Flüssigkeit strömt zwischen ihren Beinen von oben herab und sammelt sich auf dem Boden. In diesem provokativen Akt kippt die Ausstellung doch für einen kurzen Moment ins Voyeuristische, deren Gegenpart die exhibitionistische Pose der Künstlerin darstellt, die sich vor einem abstrakten Aktbild Bruno Gollers in Pose wirft. An das Thema Architektur knüpfen auch mehrere Künstler an, wie Jean-Pascal Flavien, der während seines Aufenthalts in Los Angeles Modelle ungewöhnlicher Häuser entwarf, die in Schuhkartons aufbewahrt werden und jeweils einen signifikanten performativen Aspekt beinhalten. Überraschend ist auch ein größerer Block mit Bildern von Hans Peter Reuter, dessen gekachelte Interieurs zwischen Badeanstalt und sakralem Raum oszillieren. Von Isa Melsheimer stammt schließlich eine Stadt aus Glas, die als Modell hinter einem Vorhang entdeckt werden kann und an die utopischen Ideale der klassischen Moderne erinnert, die in den Glaskästen der Gegenwart nur mehr zur Simulation institutioneller Transparenz benötigt wird. Vielleicht sind die scheinbar lebendigen Pelztiere von Günter Weseler oder die filmischen Dokumentationen von Gruppenevents bei Aeronaut Mik schon eine Überstrapazierung des inhaltlichen Feldes, das die Ausstellungsthematik eröffnet, aber die assoziative Annäherung durch autonom konzipierte Werke im Sinne Ludger Gerdes, der hier als Spiritus rector fungiert, ist diskussionswürdig, wo Kunst mehr sein soll als Illustration.
Mehr Texte von Thomas W. Kuhn

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Backdoor Fantasies
05.04 - 10.08.2014

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