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Canaletto

Bei Beyeler in Riehen gibt es eine gewisse Stelle, an der die Missverständnisse zur Moderne schön auf den Punkt gebracht sind. Aufgehängt an der Wand ist ein Seerosenteich von Monet und daneben aufgehängt ist ein Panoramafenster, das den Blick freigibt auf einen Seerosenteich. Die Natur und die Kunst und wie sie sich nicht aneinander schmiegen in der besten aller möglichen Welten: Mimesis für Arme. In Venedig inszenieren sie jetzt genau dieses mimetische Prinzip, und doch ist alles anders. Gleich neben der Salute am Eingang zum Canal Grande ist seit Jahrhunderten eine Loggia aufgebaut, sie gehört zur alten Abbazia di San Gregorio. Vor Jahrzehnten wurde ihr eine ziemlich missratene Fensterfront vorgeblendet, die sich jetzt als Glücksfall erweist, denn sie ist Ort einer kostbaren Begegnung mit einem einzigen Bild. In den Jahren um 1740 hat Canaletto hier gestanden, um den Eingang zum Canal Grande neben der Salute in seine Camera Obscura zu bannen, auf dass daraus ein Gemälde werde. Es wurde, gleich vierfach, und eines davon ist nun ausgestellt. Das kann man besichtigen, nach Voranmeldung, jeweils bis zu acht Personen gleichzeitig, für jeweils eine Stunde, zum Preis von, pro Person allerdings, 35 Euro tagsüber und deren 50 nachts. Geöffnet ist 24 Stunden, man kann auch allein hingehen, dann kostet es das Achtfache. Die Trattoria Ai Cugnai, wo man das Geld sonst ausgegeben hätte, ist ohnedies nicht mehr das, was es mal war. Natürlich ist das Unternehmen snobistisch, doch ersparen wir uns hier das sich anschließende Räsonnement, was nicht alles snobistisch wäre im Kunst- und Ausstellungsbetrieb. Man sieht jedenfalls Canaletto at his best, als Porträtist, als Vedutist, und man sieht sein Venedig als einen Ort der pittoresken Geschäftigkeit und der hintergründigen Vergnügungen und, als gäbe es in der Historie eine Moral wie es sie in den Geschichten gibt, als einen Ort der Verspätetheit. Die Raffinesse und Delikatesse, die Hinter- und Abgründigkeit dieses Milieus kommt in Canalettos Ansicht seiner Stadt und der Haupt- und Staatsaktionen, denen sie als Schauplatz diente, beflissen zur Darstellung. Die Camouflage, die die Stadt mit ihrer Ausstaffierung betreibt, steht für ein Zeitalter der Fassaden und Oberflächen und unendlichen Spiegelungen. Wenn man will, dann sieht man, dass es nicht lange danach vorbei sein wird mit solchen Lebensumständen. Und wenn man will, kann man das aufs Heute übertragen. Die Salute auf und neben dem Bild ist etwas anderes als der Seerosenteich auf und neben dem Bild. Vor der Moderne galt das große Vorbild der Natur, dem es per Technik, Meisterschaft, Virtuosität nahe-, wenn nicht gleichzukommen galt. Wer Canaletto würdigen will, muss ihn konfrontieren mit dem, was er meistern wollte. Die Moderne dagegen ist die Natur in aller Gründlichkeit losgeworden, und Monet auf das Geschlinge im Tümpel zu verpflichten, hieße die Unermüdlichkeit verkennen, mit der sich einer an Farbe und Fläche abarbeitet. Die Moderne exerziert den Spagat zwischen dem, was einer kann, und dem, was er davon zeigt. Einer wie Canaletto will immer und überall zeigen, was er alles kann. Deswegen stellte er sich an den Eingang zum Canal. Deswegen sollte man sich dazu stellen. Noch bis 27. Dezember. www.canalettovenezia.it
Mehr Texte von Rainer Metzger

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