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Hermann J. Painitz - Selbstverständlich: Kunst, selbstverständlich

Ein einziger Bus passierte am 02.04. 1972 zwischen 12.30 und 12.50 die Ecke Nussdorferstrasse/ Fuchstalergasse im 9. Wiener Gemeindebezirk. Der Verkehr war dennoch rege. 16 Strassenbahnen waren in jenen 20 Minuten auszumachen, 266 Autos, 26 weibliche und 29 männliche Fussgänger sowie nur 6 Motorräder, Fahrrad wurde damals im städtischen Bereich wohl weniger gefahren. Oder lag es womöglich am Wetter? Es gab kein besonders hervorzuhebenden Ereignis an jenem Ort, dennoch folgt man den kühnen Schlangenlinien aus roten und blauen Punkten, schwarzen Kreisen und deren Kombinationsmöglichkeiten, versucht sich womöglich ein Bild zu machen, von Verkehrssituation in jenen 20 Minuten des Ostersonntag. „Wie kommt der Künstler dazu Kunst zu machen?“ fragt Hermann J. Painitz um darauf selbst zu antworten, „Ganz kurz und unbeschwert durch Ausnützen seiner Perzeption und durch Reaktion auf seine Umwelt“. Painitz sichert Wahrnehmungen, ordnet sie Symbolen zu und setzt so jene Informationen in eine eigene Bildsprache um, und das seit bald 50 Jahren. Er ist mit seinem Tun mitnichten ein Unbekannter oder womöglich doch? Zeitkunst Niederösterreich präsentiert in der Shedhalle St. Pölten erstmals eine umfangreiche Retrospektive des 1938 geborenen, ehemaligen Präsidenten der Wiener Secession (1977-83). Und schließlich ist man doch sehr beeindruckt von der Fülle und Konsequenz dieses Oeuvres und der Vielfalt dessen, was in ihm behandelt wird. Painitz portraitiert auf diese Weise seine Mitmenschen, in dem er sie über eine gewisse Dauer in ihrem Dasein und Tätigkeiten beobachtet, er übersetzt Zitate aus der Weltliteratur in Zeichensysteme oder visualisiert Wahlergebnisse. Welche Wahrnehmungen und Informationen er auch immer in seinen Tableaux wohlgeordnet verdichtet, eines haben sie alle gemeinsam, sie erklären sich selbst, der Schlüssel zur Arbeit ist stets Teil des Werkes, nichts muss Rebus bleiben. Auch das „Brotalphabet“ von 1975 funktioniert ähnlich selbstreferenziell. Jedem Buchstaben an der Wand wird eine andere Brotsorte zugeordnet. Vergleicht man nun die vier Brote am Tisch davor mit den Schriftzeichen ergibt sich wieder der Begriff „Brot“. Freilich hat jene Versinnlichung des Abstrakten durch eine bestimmte Codierung viel von den Piktogrammtafeln von Otto Neurath und Gerd Arntz, von denen Painitz zu Beginn seiner Beschäftigung und Entwicklung seiner Bildsprache nichts gewusst hat. Die Erkenntnis, dass diese Gedanken schon einmal da gewesen sind, gab er in einem Katalogvorwort von 1975 zu, habe ihn dann doch in gewisser Weise erleichtert, von Neutaths „optischen Arbeit“ war er fasziniert als eine Basis, auf der man aufbauen kann. „Das Bild ist eine Schautafel für unabänderliche ORDNUNGEN“, wird der Künstler an anderer Stelle des hervorragend zusammengestellten Kataloges zur Ausstellung zitiert. Man muss dieses Konvolut an Manifestation von vergangener Zeit an anderen Beobachtungen in seiner Diversität und Komplexität überblickt haben, um zu verstehen, dass der heute beliebte Begriff „Infographik“ mit dem Schaffen von Herbert J. Painitz eher nichts zu tun hat.
Mehr Texte von Daniela Gregori

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Hermann J. Painitz - Selbstverständlich
29.03 - 24.08.2014

Landesgalerie für zeitgenössische Kunst
3100 St.Pölten, Kulturbezirk 5
Tel: +43-2742 90 80 90
Email: office@zeitkunstnoe.at
http://www.zeitkunstnoe.at/
Öffnungszeiten: Di – So 9 - 17 h


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