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Chantal Michel: Das Verwandlerische von Zonen und Personen

Der Autor, der sich für den Katalog von Chantal Michels Ausstellungen in Freiburg und Amiens Ende letzten Jahres um eine Interpretation bemühte, fühlte sich an \"Alice im Wunderland\" erinnert. Das Verwandlerische von Zonen und Personen, das Lewis Carroll beschreibt, findet sich in der Tat in den Metamorphosen wieder, denen sich hier eine Selbstdarstellerin unterzieht. Chantal Michel, 1968 in Bern geboren, umkreist die eigene Identität im fotografischen Blick auf die vielen Masken. Wem da Cindy Sherman einfällt, hat zumindest nicht unrecht. Doch bleiben wir bei Alice und vor allem bei dem Ort und bei der Zeit, in denen sie auftrat. Das Umfeld des Wunderlands ist das England Mitte des 19. Jahrhunderts, und gerade die neuesten Arbeiten, die Chantal Michel bei Hubert Winter zeigt, haben tatsächlich etwas Viktorianisches. Vielleicht stellt sich die Assoziation ein, weil die Künstlerin es bewußt oder unbewußt auf eine gewisse Ähnlichkeit mit den melancholischen, großäugigen, von ausgeprägten Nasen gezierten Frauengestalten von Edward Burne-Jones angelegt hat. Vor allem aber ist es der Habitus. Chantal Michel inszeniert sich selbst, wie etwa Dante Gabriel Rossetti seine Gefährtin Elizabeth Siddal drapierte: eingebettet in allerlei Vegetation, aber nicht ihrerseits blühend, sondern moribund; abgründig, verschattet, entrückt. Bei Chantal Michel funktioniert dies allein durch die gern benutzte Glasscheibe, die für Distanz zwischen Kamera und Motiv sorgt, für eine Erscheinung von Ferne, so nah sie sein mag. Was seinerzeit die Präraffaeliten in ungetrübter Maskulinität den Frauen angedeihen ließen, das wird jetzt ein Topos weiblicher Mise-en-scène. Was man damals als \"Geschöpf\" liebte, als das ewig feminine Hingebungsvolle und Hingegebene, läßt sich heute als Medium eines prekären Körpergefühls einsetzen. Was damals an die Schwindsucht gemahnte, das ist heute zumindest Formel für Gefährdetheit. Und was sich gerade im Zeitalter Victorias als Emanzipation die Bahn brach, das ist heute längst ein souveränes Spiel mit den Rollen.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Chantal Michel
07.09 - 13.10.2001

Galerie Hubert Winter
1070 Wien, Breite Gasse 17
Tel: +43 1 524 09 76, Fax: +43 1 524 09 76 9
Email: office@galeriewinter.at
http://www.galeriewinter.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 11-18h
Sa 11-14h


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