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Fremd & Eigen: Ethnologie, gleich nebenan

Man kennt das von sich selbst. Kaum hat man es sich wohlig eingerichtet in den eigenen Gewohnheiten, Wahrnehmungen oder Ansichten, kommt schon etwas daher, was nicht in die heimeligen Schemata der Existenz zu passen scheint. Seien es nun Ethnien, Lebenseinstellungen oder andere Generationen, die Reaktionen schwanken zwischen ablehnenden Unbehagen und neugierigem Interesse. In der Innsbrucker Galerie im Taxipalais beschäftigt sich die Ausstellung „FREMD & EIGEN“ nun mit diesem Phänomen des Fremden in der eigenen Kultur- und Lebenswelt, beziehungsweise damit, wie Methoden aus der Ethnologie oder der Soziologie in der künstlerischen Praxis angewandt werden. Was etwas theoretisch klingt ist eine wunderbar kluge wie kurzweilige Ausstellung geworden, tadellos bis in den Katalog hinein. 14 Positionen haben die beiden Kuratoren Lotte Dinser und Jürgen Tabor ausgewählt, von der Fremdheit in der eigenen Nachbarschaft wie Peter Pillers Tatort-Häuser, den Codes von subkulturellen Erscheinungen der Fan- und Jugendkultur wie Anna Witts denkwürdig-heiteren Gegenüberstellung von Rappern und rappenden Soziologen, von Konsumprodukten, die sich im Falle von Mark Dions „Sea Life“ in anderen Zusammenhängen präsentiert als völlig fremdartig erweisen oder der Annäherung an Ethnien, mit all ihren Vorurteilen. So lässt sich Coco Fusco gemeinsam mit Guillermo Gómez-Peña in einer exotischen Kostümierung im Käfig vorführen, die Reaktionen des sich überaus überlegen fühlenden Publikums hält die Künstlerin an Graphiken fest. So bemerkt ein Zuschauer etwa, dass die Beine der vermeintlich Wilden unbehaart wären. Vom Filmer Clemens von Wedemeyer sind zwei Videos aus seiner fünfteiligen Installation „Die vierten Wand“ zu sehen, in dem sich der Teilnehmer der letzten documenta mit authentischer und inszenierter Realität bei der Annäherung und Erforschung des 1971 „entdeckten“ Stamm der Tasaday im philippinischen Regenwald auseinandersetzt. Eine Arbeit komplex wie eindringlich, die Information über das gesamte, erstmals 2009 in der Londoner Barbican Art Gallery gezeigte Projekt leistet eine aufliegende Publikation, was in diesem Zusammenhang durchaus als ausreichend erscheint. Hans Peter Feldmann hat sich schließlich mit seiner Frauenhandtaschen-Serie einen Kindheitswunsch erfüllt. Stets war es ihm verwehrt in die Handtasche der Mutter zu blicken, nun hat er gleich elf ihm unbekannten Frauen die Handtasche samt Inhalt für 500 Euro abgekauft, den Inhalt feinsäuberlich geordnet und ausgebreitet. Nichts ist über ein weibliches Wesen so aufschlussreich wie der Inhalt ihrer Handtasche, es ist ein höchst intimes Terrain nachgerade. Was lernen wir daraus? Aneignung lässt sich als kulturelle Transferleistung verstehen, es beschreibt jenen Moment, in dem das Fremd zum Eigen kippt.
Mehr Texte von Daniela Gregori

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Fremd & Eigen
28.09 - 01.12.2013

Taxispalais Kunsthalle Tirol
6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Str. 45
Tel: +43 512 594 89 401
Email: info@taxispalais.at
http://www.taxispalais.art
Öffnungszeiten: Di-So 11-18, Do 11-20 Uhr


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