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Anna Jermolaewa: L`chaim: Auf`s Leben

Die Galerie Kerstin Engholm zeigt diesen Herbst neue Arbeiten der österreichischen Künstlerin Anna Jermolaewa. Jermolaewa, die 1989, als Neunzehnjährige, aus der damaligen Sowjetunion nach Wien geflohen war und hier ein Kunststudium an der Universität für Angewandte Kunst abschloss, gilt mittlerweile als fixe Größe im heimischen und internationalen Kunstbetrieb. Bei Kerstin Engholm zeigt sie nun eine Zusammenstellung aus interaktiven Installationen und Videoarbeiten. Betritt man den langgezogenen Raum der Galerie so fällt einem zuerst eine Art Fototeppich mit Katzenporträts auf. 40 Katzenköpfe in unterschiedlichen Schärfen aufgenommen blicken einem hier entgegen. Jedes Porträt in einem Holzrahmen montiert, erscheint in der Zusammenschau wie eine Art „sozialistische Ehrentafel“, die ohne hierarchische Struktur auf den Betrachter wirkt. Daneben hängt ein gerahmter mit Tusche geschriebener Text über die Bedeutung der Katzen in der Eremitage. Jermolaewa nimmt dabei auf Zarin Elisabetha Petrovna Bezug, die vor 250 Jahren Katzen zum Schutz der Kunstwerke in die Eremitage brachte. Sie sollten Mäuse und Ratten an der Zerstörung der Werke hindern, was auch gelang. Weiters berichtet der Text an Hand von Tagebucheintragungen von den Schrecknissen, während der Belagerung Lenigrads - 1941 bis 1943 - durch die deutsche Wehrmacht. Damals wurden fast alle Katzen in Lenigrad verspeist und die Rattenplage nahm überhand. Nach der Entsetzung der Stadt wurden erneut Katzen aus Sibirien nach Leningrad gebracht und vernichteten die Rattenpopulation. Wie heute die Katzen in der Eremitage leben, zeigt eine kleinformatige Videoarbeit, bei der Jermolaewa den Tieren in den Keller folgte. Gegenüber dieser Foto- und Videoarbeit hat die Künstlerin ein ungewöhnliches Regal mit unregelmäßig hohen Böden geschaffen in dem Pokale privater Aktivitäten stehen. Da sind Preise wie der Erste Platz des Grand Prix Kärntens zu finden oder Preis eines Gasthofes oder ein SPÖ Ehrenpreis. Jermolaewa unterläuft jedoch die ursprüngliche Prämierung einer Person und Leistung und richtet die Oberkante der Pokale auf die selbe Höhe aus. Dadurch kommt sie dem nivellierenden sozialistischen Auszeichnungssystem sehr nahe, das das Arbeiterkollektiv in der Gesamtheit prämierte. Diese Installation korrespondiert daher mit den Katzenporträts als Ehrentafel. (Jermolaewa hat bereits 2008 in der Installation „Thriumph“ mit Pokalen gearbeitet.) Zwei Videoarbeiten, die inhaltlich nicht miteinander korrespondieren, aber den ephemeren Charakter Jermolaewas Arbeiten sehr gut sichtbar machen, sind ebenfalls Teil der Ausstellung. In dem einen Film begleitet die Künstlerin einen Bäcker durch die Straßen Havannas. Er schreit das schlecht verständliche Dialektwort „Brot-panero“ und angelockt durch dessen Ruf lassen Bewohner der Stadt aus ihren höher gelegenen Wohnungen Einkaufstaschen an Schnüren herunter. Dorthin legt der Bäcker nach Entnahme des Geldes einen Laib Brot. Jermolaewa verfolgte die rhythmischen Rufe des Mannes durch die Stadt, das hinauf und hinunter der Körbe und die geniale Überwindung von Höhenunterschieden. Jermolewa hält die Finger der Kamera auf Aufnahme und fängt so unwiederbringliches Leben ein. Um Leben, um seine Verletzlichkeit und um seine tragische und komische Komponente geht es auch bei dem letzten Video das Jermolaewa in einem amerikanischen Perückengeschäft zeigt. Die Künstlerin probiert unterschiedlichen Perücken. Eine geschickte Verkäuferin berät sie. Das Video gerät zur Performance eines Stücks Lebensgeschichte unterbrochen von den Kommentaren ihrer Schwester, ihres Vater und ihrer Tochter. Grosso modo sind hier die neuesten Arbeiten von Anna Jermolewa zu sehen. Gemeinsam ist ihnen eine gewisse Narration und die Selbsterkenntnis der Vielfältigkeit des Lebens.
Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Anna Jermolaewa
04 - 28.09.2013

kerstin engholm galerie
1040 Wien, Schleifmühlgasse 3
Tel: +43 1 585 73 37, Fax: +43 1 585 73 38
Email: office@kerstinengholm.com
http://www.kerstinengholm.com
Öffnungszeiten: geschlossen


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1 Posting in diesem Forum
Autor
Sowieso Naundnaund | 19.09.2013 07:45 | antworten
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