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Videoparcours durch Basel

Langsam schweben Lebensmittel aus einem Einkaufswagen nach oben. Stück für Stück. Redlich bemüht versucht Barbara Naegelin ihren Einkauf unbeschadet durch den Swimmingpool zu schieben. Ein schwieriges, ein selbstkritisches Unterfangen. Shopping unter Wasser. Bei den gegenwärtigen Temperaturen allerdings ein erfrischender Anblick und Teil des Projektes "Video City.BS". Dahinter verbirgt sich ein Rundgang durch Basel mit 16 Positionen Schweizer Videokunst von den 1970ern bis Heute. Ein Rundgang oder besser ein Parcours von der Messe durch die Altstadt bis hin zum Bahnhof SBB. So vielfältig das Gezeigte, so markant sind auch die Orte an denen dies passiert. "In utero", so der Titel von Naegelins Video aus dem Jahre 2007 läuft in einem Schaufenster gegenüber der Aufzüge, die zur Stadtbibliothek führen. Zumeist beim Verlassen der Aufzüge bleiben die Basler Bibliophilen erstaunt stehen und schauen sich das entschleunigte Unter-Wasser-Spektakel an. In Konkurrenz und Rivalität mit den Schaufenstergestaltern und deren vielfältigen Manipulationsmöglichkeiten müssen sich die künstlerischen Videoarbeiten behaupten. Hierin liegt der eigentliche Reiz des Projektes. Mal sind es Gegensätze wie bei Esther Hunzikers "EHB 5866" (2012), einer animierten Abfolge einer einzelnen Fotografie des Marsmonds Phobus, welches im Schaufenster des angesagten Kleiderlabels "erfolg" läuft. Oder die krabbelnden Schnecken im 60-minütigen lustvoll-barocken Film "Tulips & Snails" (2013) von Birgit Krueger & Eric Schmutz aka Copa & Sordes der bei der Amavita Apotheke im Stadthaus zu sehen ist. Oder auch die bei Manor sanft dahinschwebenden Medusenquallen im Video "liquid – candy" (2006) der in Wien lebenden Künstlerin Nives Widauer. Ebenso kontrastreich der sich stetig wiederholende Schlagabtausch zwischen den Boxern Henry Maske und Graciano Rocchigiani im "Videopoem" (1998/2013) von Hildegard Spielhofer, der überaus gekonnt im Boss Store platziert wurde. Im Bahnhof SBB in der Bahnhof Apotheke findet sich dann noch der durch ein Metronom visualisierte Rhythmus des Herzschlages und des Atmens im Film "Breathing" (2008) der in Bangkok geborenen Mia Bailey. Die meisten der gezeigten Filme stehen in einem feinem teilweise witzig-hintersinnigen Kontrast zu den sie beherbergenden Institutionen. Eine weitere Gruppe bilden die Geschichten. Hierzu zählt Saskia Edens mittels einer Wärmebildkamera aufgenommener Kurzfilm eines Sprayers, der ganz im Sinne Duchamps diverse Fassaden mit "R. Mutt" (2009) verziert. Im Schaufenster der Basler Kantonalbank ist diese Geste durchaus als Provokation und Aufruf zum Widerstand zu verstehen. Im Unternehmen Mitte hingegen, dem Basler Treffpunkt schöngeistiger junger Leute wurden von der französischen Künstlerin Claire Guerrier 20 MitarbeiterInnen per Interview nach ihren Vorstellungen bezüglich Zukunft, Job und Tod etc. befragt. Nach Ende des Interviews wurden die en face Portraitierten mit der Kamera allein gelassen. Auch dies eine Provokation, denn bei einigen der ProtagonistInnen konterkarieren verstörende Augenblicke der Irritation teilweise das vorab Gesagte. Und auch das aus 258 kurzen Clips unterschiedlichster Alltagsszenen bestehende "Inland Archiv" (2004) des Erich Busslinger ist ein visuell überaus treffender erzählerischer Kommentar zu seinem Standort, dem Hotel Basel. Ein ähnliches Konglomerat an alltäglichen Bildwelten bieten Muda Mathis, Sus Zwick und Fränzi Madörin mit dem bei Wohnbedarf gezeigten Film "Das ideale Atelier – woher unsere Bilder kommen" (2004). Nahezu romantisch hingegen die beiden Kostbarkeiten, die Anna Winteler bei der Confiserie Bachmann und Regula Hurter und Uri Urech bei der Buchhandlung Thalia zu bieten haben. Bei ersterer mit dem Titel "Le petit déjeuner sur la route d'après Manet" (1979) folgt die Kamera mit voyeuristischen Blick einer am Rheinufer entlang spazierenden jungen Frau, welche sich peu à peu ihrer Bekleidung entledigt. In Hurter-Urechs "Uniglory" (2003) dienen inmitten einer texanischen Geisterstadt vorbeifahrende Güterzüge als Impulsgeber für die Umarmungen und Küsse eines Paares, welches sich an diesem traumhaften Ort verkrochen hat. Auch Christoph Oertli erzählt in seinen geschickt komponierten Bildern vom Reisen und fordert im Schaufenster des Louis Vuitton Shops auf "Tretet ein in die Kontinente" (2009). Edith Hänggi sorgt angesichts ihres unablässigen Bemühens den persischen Teppich "Sarouk" (2011) zu erklimmen für ein hintersinniges Schmunzeln beim Basler Bekleidungsgeschäft Kost. Und auch Pipilotti Rist ist bei der UBS, dem Grosspsonsor der Art Basel, mit dem bekannten Frühwerk "You Called Me Jacky" (1990) vertreten. Ähnlich in der Reichhaltigkeit ihrer Mimik die zwei Kindergesichter im titellosen Animationsfilm (2001) von Hagar Schmidhalterm die in der Buchhandlung mit dem verheissungsvollen Titel "Das Narrenschiff" laufen. Gegen Ende des zweimonatigen Projektes läßt sich als Fazit sagen, dass die Interventionen von den Basler Flaneuren überaus wohl wahrgenommen wurden und sowohl die Bereitsteller der Schaufenster, organisiert im Verein Pro Innerstadt Basel als auch die beteiligten KünstlerInnen mit dem Ergebnis zufrieden sind. Für die Kuratorin Andrea Domesle bleibt auch beim Folgeprojekt im nächsten Jahr die Herausforderung bestehen, künstlerische Positionen zu finden, die sich gegen die Übermacht der Werbung, der Innendekoration und der cleveren Produktgestaltung behaupten können. www.videocitiybs.ch
Mehr Texte von Harald Krämer

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