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Nolde

„In einem Buch ‚Odi profanum’ zeichneten und schrieben die einzelnen nebeneinander ihre Ideen nieder und verglichen dadurch ihre Eigenart. So wuchsen sie ganz von selbst zu einer Gruppe zusammen, die den Namen ‚Brücke’ erhielt.“ Ernst Ludwig Kirchner hat so Rückschau gehalten auf den frühesten Beitrag zur Avantgarde aus deutscher Provenienz. 1912, als Kirchner „die Chronik der Brücke“ schrieb, wird das fragile Gebilde nur noch ein Jahr halten, am 27. Mai 1913, zur Hochzeit der ästhetischen Umtriebe, wird man sich ganz offiziell auflösen. 1905 hatten sich Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Roffluff und ein heute eher Unbekannter namens Ernst Bleyl zusammengetan, im Jahr darauf waren Max Pechstein und Emil Nolde dazugestoßen, 1911 kommt Otto Mueller. Gruppenidentität war ausdrücklich erwünscht. Die Gemeinsamkeit hörte, so verkündete Kirchner, auf ein Wort: Man hasste das Profane. Emil Nolde, geboren 1867 und damit mehr als eine Künstlergeneration älter als seine zum Teil nicht einmal 25jährigen Kombattanten, hatte von Anfang an nicht recht dazugepasst. Zwei Jahre später schon endete die Mitgliedschaft. Der Expressionismus sucht generell das Tumultuarische und Stakkatohafte, das Abrupte und Zusammenprallende. Entsprechend waren die Veteranen der „Brücke“ irgendwann der Stadt verfallen, waren von Dresden, wo sie sich konstituiert hatten, nach Berlin gegangen und hatten in der Metropole das vielfältige Leben auf der Straße ins Visier genommen. Nolde dagegen war und blieb ein Naturmaler, ein Impressionist im Expressionismus, ein Rückzugskämpfer, der mit dem Leben am Saum der Felder und Gärten genug zu tun hatte. Das Museum Frieder Burda in Baden-Baden zeigt ihn jetzt bis 13. Oktober in der ganzen Palette seiner nicht unbedingt uneingeschränkten Möglichkeiten. Emil Nolde, Trollhois Garten 1907, Ölfarben auf Leinwand, 73,5 x 88 cm, © Nolde Stiftung Seebüll, 2013 Noldes Wald- und Wellenbilder stehen für den malerischen Diskurs in einer Enge unter weitem Himmel. Großstadt, Masse, schockartige Konfrontation, die großen Erlebniswelten des 20. Jahrhunderts, sind programmatisch ausgeschlossen. Nolde ist dafür den großen Erlebniswelten des 19. Jahrhunderts verpflichtet, den romantischen, den märchenhaften und traumverlorenen mit ihrer Einladung ins Entrückte und Sinnierende. Es spricht für Nolde und seine Modernität, dass das Verlogene, Eskapistische oder Versöhnlerische, das solchen Bildern drohen könnte, ausgeschlossen ist. Der Wald ist ein Unterholz, ist wirr und verwirrend, ebenso die Landschaften mit ihren Wolken in auratisch-erratischer Erscheinung. Das Schockartige ist also nicht getilgt, eher muss die Natur sich als Komplizin mühsam erarbeitet werden. Dass damit irgendwann eine Glättung, Schleifung, Nivellierung einherging und generell einhergeht, gehört zum Erfahrungsschatz der Kulturgeschichte. Verbindlichkeit wurde angestrebt, und so sind die Gemälde dann auch eine Art Summe moderner Errungenschaften und ihrer bereitwillig vollzogenen Akzeptanz. Die Ego-Kulte gerinnen zur puren Optik des Nahsichtigen, die Verselbstständigung von Farbe auf Fläche läuft über in Ornamentalität, die Verpflichtung auf ein Leben in Naturverbundenheit und Reformeifer geht ein in die Lieblichkeit eines Blumenarrangements. Noldes Beherrschung seines Metiers ist unübersehbar. Meisterschaft ist altmeisterlich geworden. www.museum-frieder-burda.de
Mehr Texte von Rainer Metzger

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