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Stehparty

Jetzt kommt eine wahre Geschichte. Knapp 25 Jahre ist es her, da war ich Assistent an einer Kunsthochschule. Aufnahmeprüfung stand an, und wir, die Kommission, verfielen auf das nicht eben originelle Thema „groß und klein“. Einen Tag hatten die Kandidatenpersonen Zeit, um Kreatives zum Thema abzuliefern, und als wir am Abend das Gelieferte einer ersten Inspektion unterzogen, sahen wir da, Zylinderschale an Zylinderschale, gleichsam Wange an Wange, die Kombination einer Mülltonne mit einem Papierkorb. Dieses mit leichter Hand und schnellem Gedanken ausgeführte Ready-made-Duo ganz aus dem Geist Lautréamonts schien uns geglückter als alles andere, inklusive unserer motivischen Vorgabe. Als der Kandidat am nächsten Morgen noch kurz Rede und Antwort zu seinem Meisterwerk stehen sollte, kam indes heraus, dass der Gute mit etwas ganz anderem vorstellig zu werden suchte. Das mit den Ready-mades, war, bewusst oder eher nicht, das Putzpersonal. Noch eine Geschichte. Auch schon 20 Jahre ist es her, da gab es eine Ausstellung in München, an der ich kuratorisch beteiligt war. Sie hieß „Dealing with Art“, handelte von aktuellen Galerien und ihren ökonomischen Situationen und auch von ihren Künstlern. Die Galerie Nagel wurde in der Schau durch Fareed Armaly und Christian Philipp Müller repräsentiert, dergestalt, dass sie Presse- und anderes Informationsmaterial der Galerie an die Wand hefteten und daneben ein Kopiergerät postierten, damit man sich das dann auch mit nach Hause nehmen konnte. Eines Morgens, wir sperrten gerade auf, kam aufgeregt der Hausmeister: Der Papierkorb neben dem Kopierer, der nichts anderes sollte als misslungene Kopien aufnehmen, war geleert worden: „Wo der doch bestimmt Kunst ist“. Wir hatten aber nichts dagegen. Das Putzpersonal hatte nur seine Pflicht getan. Und anders als bei der berühmten Badewanne von Beuys war das auch richtig. Am heutigen Dienstag berichtet der „Standard“ über das neue Lenbachhaus. Der Artikel findet die Architektur, wie sie Norman Foster ersonnen hat, nicht so besonders, speziell das Foyer kommt nicht gut weg: „Das Raumspektakuläre verspielt Foster durch ein schmales Galeriegeschoss, bereits jetzt Abstellfläche für unbenutztes Stehpartymobiliar, und durch viel zu schmale Stiegen.“ Stehpartymobiliar. Damit sind wir bei der Moral dieses Blogbeitrags. Das Stehpartymobiliar ist nämlich von Olaf Metzel. Olaf Metzel, Last Order, Installationsansicht, Lenbachhaus „Last Order“ heißt die Installation, wie sie da unterhalb eines Treppenlaufs zur Aufstellung gekommen ist, eine Art Gruppe aus Stehtischen, doch müsste die Party schon wüst verlaufen sein, denn zum Teil liegt die Gerätschaft am Boden. Andererseits ist die Fragilität der weißen Oberflächen, die wie Tücher aussehen, gewahrt: Sie sind aus Plexiglas. Alles in allem ein Olaf Metzel, wie er im Buche steht und wie er die Gemüter bis heute durcheinanderbringt - sei es mit seinem Stammheim-Denkmal in Stuttgart, sei es mit seinen Absperrgittern am Kurfürstendamm, sei es mit Sitzbänken in Nürnberg anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Das Durcheinander war nichts anderes als beabsichtigt. Einmal mehr hat das Putzpersonal alles richtig gemacht. Und der „Standard“ übt noch.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Die Moral dieses Blogbeitrags
Crisfor | 14.06.2013 10:57 | antworten
finde ich nicht in Geschichte 3 wie der Autor. Diese sieht aus wie ein Ergebnis der Beherzigung der „10 Regeln für prekäre Schreiber_innen „ von Martin Fritz vom 11.03.13: Schreibe schnell! Recherchiere nie! Geschichte 1 finde ich amüsanter und interessanter: Wenn die Kommission einer Kunstuniversität – allesamt Fachleute des Kunstbetriebs - ein unbewusst erzeugtes Werk des Putzpersonals als das gelungenste erachtet: Was lernen wir daraus? Das Beste wäre doch, für Putzkräfte in Kunstinstitutionen ein Kunststudium vorzuschreiben: Talent haben sie, wie dieses Beispiel beweist, und die Verunsicherung, die der Hausmeister in Geschichte 2 an den Tag legt, würde nicht mehr vorkommen, weil jede Putzperson als Absolvent einer Kunstakademie – mit akademischem Grad in die Riege der Wissenden aufgenommen - in Eigenverantwortung beurteilen könnte, was Kunst ist, und was Müll. Außerdem hätten die Kunstuniversitäten eine neue Berufsperspektive für ihre Absolventen_innen anzubieten.

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