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Rückkehr nach Venedig

Sind wieder alle auf der Biennale. Schimpfen wieder alle, weil sie wieder nicht besser ist als die Jahrhunderte davor. Rennen wieder alle auf die Empfänge, Dinners, Cocktailparties, und schimpfen nochmal alle, weil sie wieder nicht auf die Yachten dürfen. Finden sie Venedig dann doch ganz gut, weil es eben Venedig ist. Und schließlich gibt es noch eine spezielle Versammlung von allerhöchstem Luxusgut, besser als alle Pavillons zusammen. Leider nur noch bis 18. August. Im Dogenpalast. Titel der Schau: Ritorno a Venezia. Thema: Edouard Manet und seine italienischen Vorbilder. 1853 war Manet vor Ort. In Florenz hat er Tizians „Venus von Urbino“ kopiert, ein Meisterstück venezianischen Kolorits inmitten der trockenen Toskaner. Manet hat immer gewusst, was er sich aneignen muss, und grob gesagt sind es die großen Drei der Malerei, die er sich vorgenommen hat: Velazquez, Goya und eben Tizian. Mit tatkräftiger Unterstützung des Musée d'Orsay, das die Schau auf seiner Website gar als eine seiner „expositions dans le monde“ anführt, wird aus Manets tatsächlich lebenslanger Auseinandersetzung mit dem noblen Venezianer nun nicht weniger als eine Rückkehr an die Lagune. Schlüsselbild ist die „Olympia“, einer seiner obligatorischen Skandale, diesmal des Salons von 1865. Tizian, Venus von Urbino, 1538 En gros und en detail folgt er seinem Vorbild. Pose, Draperie, die neckische Bedeckung der Scham, die Zweiteilung des Hintergrundes, die Accessoires wie Armreif oder Perle im Ohr buchstabieren das Renaissance-Modell ebenso tunlichst nach, wie sie es in manchen Gesten der Umkehrung nochmals dem Wiederholungszwang aussetzen: Der weiße Hund ist durch die schwarze Katze ersetzt, die rechte Hand hält kein Bukett, fährt dafür aber über geblümten Stoff, und die beiden Dienerinnen, die sich abgewandt im Hintergrund an Kleidern zu schaffen machen, sind der dunkelhäutigen Frau gewichen, die nun, in abermaliger Inversion, nicht mit Tuch, sondern mit Blumen hantiert. Édouard Manet, Olympia, 1863 Längst ist dieser gemalten Venus die poetische Dimension abhanden gekommen, und gerade die Passagen dezidierter Abweichung von der historischen Vorgabe forcieren die irdische Erscheinung dieses Aktes jenseits von Mythologie und Idealität. Nackt liegt er da, der Akt, nackt und noch dazu ausgezogen: der neckische Schuh, der am linken Fuß haften geblieben ist, spricht die aufdringliche Sprache abgelegter erotischer Accessoires; um ihm genug Aufmerksamkeit zu verleihen, hat Manet Tizians Positur zusätzlich leicht verändert, hat das rechte Bein dieses umgekehrten Aschenputtels durchgestreckt und so das linke etwas emporgehoben, das nun das galante Detail vorzeigt. Die Schönheit, die sich hier der Kleider entledigt hat, ist ganz von dieser Welt, und die etwaige Einbettung in einen Kontext von Sinn und Verstand vollzieht sich im Schlafzimmer. Der Verweis auf Prostitution und die Verruchtheit der Demi-Mondänen ist unbestreitbar, wie sich sogar eine Art Plauderton einschleicht, nimmt man die soeben überbrachten Blumen ins Visier, stilisiert man in Olympias Augen einen Blick hinein und fühlt man sich somit als Betrachter angesprochen. Dann wäre man der Kavalier, auf den die Schöne schon gewartet hat, und das Bild wäre eine Eins-Zu-Eins-Inszenierung einer, wie man das dann nennt: erotisch knisternden Atmosphäre. Die Dargestellte ist indes keine Einschlägige, es ist Victorine Meurent, Manets Lieblingsmodell der Zeit. Sie ist Straßensängerin und Stierkampfkomparsin auf seinen Bildern, sie ist die nackte Gefährtin zweier bekleideter Männer beim „Frühstück im Grünen“, sie ist die Frau mit einem Papagei, sie ist kindlicher Pfeiffer, und sie ist Edelkurtisane - all dies jedoch nur auf den Bildern. Die vermeintliche Eindeutigkeit ist damit jederzeit in Frage gestellt. Das Vorgeführte entlarvt sich als Rollenspiel. Letztlich lag darin das Skandalöse.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Rückkehr nach Venedig
Anna Coucoutas | 03.06.2013 05:53 | antworten
..gefällt mir gut die Betrachtung. Staune immer wieder wie viel in der Kunst allgemein "studiert" oder besser gesagt "abgekupfert" wurde. Macht Mut.

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