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Tamerlan

Da heißt also einer der Attentäter, für die die USA gerade ihre totalitäre Maschinerie anwerfen, Tamerlan. Das ist der in Europa gebräuchliche Name von Timur Lenk, des Anführers der Mongolen, märchenhaften Gebieters über Samarkand und Buchara, Beherrschers von Transoxanien, jener Gegend jenseits des Oxus, des Amu-Darya weit hinten in den Steppen Zentralasiens. Anders als sein – angeheirateter - Vorfahr Dschingis Khan war der lahme Timur von islamischem Glauben, und so gesehen ist dann ohnedies alles seinen Gang gegangen mit dieser Brut, wie sie bis heute ihr Unwesen treibt. Antonio di Pucci Pisano, genannt Pisanello, ist sicherlich einer der bedeutendsten Künstler der frühen Renaissance. Seine Naturstudien sind berückend, die Medaillen, die er für die Condottieri und Duodezherrscher der kleinen italienischen Signorien entwarf, damit ihre ephemeren Herrschaften in Zeitlosigkeit schwelgen konnten, sind von ziseliertem Antikeneifer. Und seine Malereien sind – selten. Antonio Pisanello, Heiliger Georg und die Prinzessin In Verona, in der Kirche der Santa Anastasia, hat Pisanello ein Fresko hinterlassen. Es zeigt den Ritterheiligen Georg, wie er knapp unter Lebensgröße im Begriff ist, sein Pferd zu besteigen und es mit dem Drachen aufzunehmen, der vis-à-vis, auf der anderen Seite des Spitzbogens, der die Komposition teilt, aus Gründen des Erhaltungszustands nur noch zu erahnen ist. Seltsamerweise steht die Prinzessin, die Georg der Legende nach eigentlich befreien soll, schon neben ihm. Offenbar gilt die Expedition, die er gerade anfängt, einem anderen Zweck. Das Werk ist in den 30er Jahren des 15. Jahrhunderts entstanden. Das war die Zeit, da der Westen im Konzil von Ferrara viele Gedanken und keine Unternehmungen auf den Weg brachte, dem in Agonie liegenden Konstantinopel zu helfen. Pisanello war nachweislich auf dem Konzil, und 1453 war der Türk schließlich am Bosporus. Die Kunstgeschichte mutmaßt, dass Georgs Aufbruch etwas mit einem – nie zustande gekommenen – Kreuzzug für die bedrängten Byzantiner zu tun haben könnte, sieben Unterstützer sind jedenfalls links hinter dem Heiligen zu gewahren, der Kaiser Sigismund könnte darunter sein, dessen byzantinischer Kollege Johannes Palaiologos, ein Söldnerführer, und ganz außen bringt sich das schlitzäugige, langhaarige, zwirbelbärtige Konterfei eines Mongolen zur Geltung. Antonio Pisanello, Heiliger Georg und die Prinzessin, Detail Es ist, wahrscheinlich, Tamerlan. Der Heerführer von ganz weit aus dem Orient findet sich wieder im Bataillon des Okzidents. 1402 hat Tamerlan gegen die Türken und den Sultan Bayazit gekämpft und sie für ein halbes Jahrhundert von weiteren Eroberungen abgehalten. So kommt er, quasi zum Dank, aufs Bild: Tamerlan, der Kämpfer für das Abendland. Sag das mal den Amerikanern.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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