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ADRIFT - The Unfamiliar Familiar in Modern Society: Abdriften im kollektiven Unbewussten

Mit „Adrift – The Unfamiliar Familiar in Modern Society“, einer zeitgenössischen Fotoausstellung, setzt die Galerie Ruberl einen neuen Akzent in ihrem bekannten Kurs. Ganz überraschend ist das nicht, denn schon auf der art austria 2013 hat die Galerie das vertraute Programm an arrivierten Klassikern der österreichischen Moderne mit performativen Arbeiten des 1984 geborenen Matthias Mollner gesprengt.

„Adrift – The Unfamiliar Familiar in Modern Society“ zeigt zehn künstlerische Positionen im labilen Spannungsverhältnis von Urbanität, gesellschaftlicher Identität und individueller Integrität. „Adrift“ in der Bedeutung von „treibend“, aber auch „sich losreißend“ deutet auf den unabdinglichen Perspektivenwechsel, der durch den permanenten Wandel des kollektiven wie subjektiven Erfahrungsraums gefordert ist.

Die Ausstellung ist als eine in sehr unterschiedliche Facetten aufgesplitterte künstlerische Reflektion des komplexen Zusammenhangs vor einem wissenschaftlichen Hintergrund zu sehen, der auf dem Studium verschiedener soziologischer und anthropologischer Disziplinen basiert: Das gemeinsame Studium an der Goldsmiths University of London war die verbindende Ausgangssituation und Anregung zu dem bei Ruberl präsentierte Unternehmen des vierköpfigen KuratorInnenteams „Gasket“ und der zehn involvierten FotografInnen unterschiedlichster Nationen.

Isidor Ramirez (Spanien) fotografierte einzelne Häuser der für Ostdeutschland typischen Plattenbauweise. Indem er alle vier Ecken der Gebäude analog übereinander ablichtete, also vier Perspektiven übereinander schichtete, erhält die grafische Struktur der architektonischen Montagen eine markante Dominanz über dem körperhaft Wesentlichen des Baus. Ramirez konstruiert ein verwirrendes entgegenständlichtes Abbild, das entleert und der eigentlichen Substanz beraubt den physischen Charakter zugunsten eines psychischen Eindrucks zurückdrängt.

Die Monotonie einer verregneten Autobusfahrt war der Impuls zum spielerischen Experiment. Out of focus entstanden David Kendalls (England) malerisch wirkende Fotografien. Die reale Umgebung ist in eine unklare Verschwommenheit abgedriftet, stattdessen konkretisiert sich in nebulöser Haptik ein imaginärer Raum.

Lene Hald (Dänemark) manifestierte ihre Faszination von jungen zum Islam konvertierten Mädchen, die in der gewählten Religion ein intensives Freiheitsempfinden fanden. Autark entpuppt sich das weibliche Selbstbewusstsein hinter bzw. zwischen den umhüllenden Tüchern. Die verschleierte Kamera der Fotografin erzeugt ein metaphorisches Ebenbild und ist selbst ein solches.

In klassischem Schwarz–Weiß, mit eigenhändig gefertigten Abzügen und vorzugsweise sehr einfacher Kamera (Holga) mit Plastik–Linse arbeitet Nora Alissa (Saudi Arabien). Der Film wird im Gehäuse nur unpräzise weiter transportiert und die Bilder gezwungenermaßen unscharf - Eigenheiten, die Alissa als Potenzial erkennt. Sie umschreitet in Mekka die Kaaba und fotografiert währenddessen in Serie gerade in den Raum hinaus. Nach der Entwicklung überlappen sich aufgrund der schleppenden Mechanik der Kamera die einzelnen Aufnahmen, die rhythmische Gehbewegung wird simuliert und eine eigenwillige Dynamik erreicht. Das auratische Kultobjekt ist dem Blickwinkel permanent entzogen und nur durch das nachvollziehbare Umkreisen der Fotografin als zentrale Begehrtheit vergegenwärtigt. Seine Präsenz ist durch seine bildliche Abwesenheit zur Irritation gesteigert.

Technik und Ästhetik sind dem gegenüber bei Manuel Vazquez (Kolumbien) geradezu bipolar, konträr. Ursprünglich zum dokumentarischen Zweck fotografierte er ein inzwischen abgerissenes BBC–Studio, das sich als kunstvolles Stillleben erweist. In gestochener Klarheit einer hoch aufgelösten Digitalfotografie porträtiert Vazquez die Arbeitsstätte als Vanitas–Sinnbild, in dessen kompakte Komposition er mit barocker Dramaturgie Lichtquellen gesetzt hatte, die den Blick über die bühnenhafte Szenerie lenken und stetig weiter treiben.

Sämtliche Exponate sind im Zeitraum der letzten fünf Jahre entstanden, das Unternehmen „Gasket“ noch keine zwei Jahre alt. Michael Frank, Sally Hart, Johannes Rigal und Simon Saint gründeten „Gasket“ als eine virtuelle Plattform, die sich international in Partnerschaften wie mit der Galerie Ruberl in temporären Ausstellungen manifestiert. Die alteingesessene Galerie zeigt also eine für sie sehr unkonventionelle Neuorientierung, die zum einen ein lustvolles Verfolgen persönlicher Vorlieben ist, zum anderen das konventionelle Programm der arrivierten KünstlerInnen kontrastierend begleiten und in ein bis zwei Ausstellungen jährlich aktuell beleben soll.

Mehr Texte von Margareta Sandhofer

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ADRIFT - The Unfamiliar Familiar in Modern Society
07.06 - 19.07.2013

Galerie Ruberl
1010 Wien, Himmelpfortgasse 11
Tel: +43 1 513 19 92, Fax: +43 1 513 77 09
Email: galerie@ruberl.at
http://www.ruberl.at/
Öffnungszeiten: Di-Fr 13-18 h
und nach Vereinbarung


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