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Mein Steuergeld: 41 Cent für das MUMOK

Ich habe mit meinen Steuern 41 Cent für das Museum Moderner Kunst (MUMOK) bezahlt. Warum ich das weiß? Die Finanzministerin hat mir einen persönlich adressierten Brief geschrieben, der den Einkommensteuerbescheid begleitet hat. Sie schreibt: »Mir ist es wichtig, dass Sie wissen, wie und wofür Ihr Steurgeld verwendet wird«. Dafür hat sie eine »individuell aufgeschlüsselte Grafik« produzieren lassen, die zeigt »wohin Ihr Steuer-Euro« fließt«. Zugleich wurde eine Umfrage im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung lanciert, in dem den Bürger_innen testweise die Möglichkeit eingeräumt wurde, 10% ihrer Steuerleistung bestimmten Zwecken zu widmen. Die Finanzverwaltung erprobt damit ein Verfahren, dass von mir bislang nur zur scherzhaften Irreführung von Passant_innen eingesetzt wurde, die sich über Kunst im öfffentlichen Raum mit dem Argument beschwerten, dass dieser Mist ja mit ihren Steuergeldern finanziert worden sei. Meine Anwort war bisweilen: »Nicht mit Ihren, sondern mit meinen!«, mit der daran anschließenden Frage, ob »sie denn nicht angekreuzt hätten, dass ihre Euros nicht für zeitgenössische Kunst verwendet werden dürfen?« In Frau Fekters Brief steht, dass ich jährlich 387 Euro (und damit 8,4% meiner Einkommensteuerleistung) für »Erziehung und Unterricht, Kunst und Kultur« zahle. (1) Im Vergleich: 203 Euro gehen scheinbar an die ÖBB, 226 Euro werden für »Pensionen im öffentlichen Dienst« aufgewendet und immerhin 783 Euro brauchen andere wertvolle Dinge wie »Soziale Wohlfahrt und Gesundheit«. Bevor ich unter Berufung auf diese Summen jedoch behaupten könnte, etwa das Texthonorar für einen Beitrag in der MUMOK Zeitung quasi selbst bezahlt zu haben, muss ich versuchen, die pauschalen Zahlen, die laut der Finanzministerin, »eine klare Sprache sprechen«, auf Einzelausgaben des Bundes herunterzurechnen, um zu einer Einschätzung meiner Finanzierungsmacht im Feld der Kunst zu kommen. Und diese ist geringer als es scheint: Der größte Kuchen im Budgetansatz »Erziehung & Unterricht, Kunst und Kultur« von 7,9 Milliarden Euro (2) ist natürlich nicht die Kunst. Der Bundesbudgetvoranschlag 2011 weist beim BMUKK etwa unter »Zahlungen für Landeslehrer (Aktive)« 3,299 Milliarden Euro aus. Deren anteilige Bezahlung reduziert meinen Einsatz gleich einmal um 163 Euro. Es verbleiben also 221 Euro, womit ich ja immerhin noch einen Billigflug für einen Künstler zahlen könnte, bei dem ich mich dann bei der Eröffnung als »Investor« vorstellen könnte, um über den »Return of Investment« zu sprechen, wie es der frühere Staatssekretär Morak einmal bei einer subventionierten Kunstzeitschrift getan haben soll. Doch obwohl die Finanzministerin mir schreibt, dass »Dank Ihnen Sicherheit, Wohlstand und die hohe Lebensqualität in unserem Land gewährleistet werden« – womit sie jedoch zugleich den Beitrag all jener schmälert, die zwar keine Einkommens- oder Lohnsteuer, aber zahlreiche andere Steuern und Abgaben zahlen – bekommt mein Kunstsponsorstolz durch die Wahrnehmung, dass nur 430,4 Millionen des Budgets 2011 unter dem Titel »Kunst und Kultur« stehen, den nächsten Dämpfer. In unserem privaten »Follow the Money« sind wir nun bei 0,46 % des Bundeshaushalts (und davon 21 Euro aus meiner Tasche) angelangt. Immerhin: Damit wäre es mir noch möglich zwei ermäßigte Karten für einen Besuch der Kunstkammer zu stiften, doch nehme ich nach einem Besuch davon Abstand, da ich mir nicht sicher bin, ob die Republik die Habsburger 1919 deswegen enteignet hat, um sie 94 Jahre später flächendeckend abzufeiern. In Wahrheit ist mein Beitrag zu den Bundesmuseen aber nur 5,17 Euro, da »nur« ein Viertel des Kunst- und Kulturbudgets an die Bundesmuseen geht (und ein knappes Drittel an die Bundestheater). Immerhin kann positiv angemerkt werden, dass sich das KHM in der Kunstkammer artig bei der »Republik Österreich und allen ihren SteuerzahlerInnern« und damit auch für meine 1,17 Euro bedankt. In der Albertina mit ihrer deutlich geringeren Basisabgeltung von 7,684 Millionen Euro landen nur mehr 38 Cent meiner Steuerleistung, doch auch diese Summe würde ich gerne zurückhalten, bis jener einzige Satz historisch kontextualisiert wird, mit dem das Haus online die Sammlungsgeschichte der grafischen Sammlung in Austrofaschismus und Nationalsozialismus beschreibt: »In der Zeitspanne von 1934 bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurde schwerpunktmäßig die österreichische und deutsche Grafik des 19. und 20. Jahrhunderts ausgebaut.« Obwohl wir mit all diesen Berechnungen noch lange nicht ganz unten angelangt sind (1 Cent für die Secession) , stoppen wir beim MUMOK, dessen Basisabgeltung von 8,275 Millionen Euro 0,0088 Prozent des Bundeshaushalts ausmacht. Zum letzten Mal legen wir diesen Wert auf die eigene Einkommensteuerleistung um und landen damit bei jenen 41 Cent, die dann gerade noch für einen Bleistift in den prall gefüllten »Kinderkunsttransportern« reichen würden. Meinen Mitbürger_innen sei Dank, dass ich diese rollenden Begleiter für Kinder im Museum nicht alleine bezahlen muss. Warum diese jedoch jeden Cent und noch viel mehr wert sind, dazu an dieser Stelle ein anderes Mal mehr. (1) Für Freunde schwedischer Verhältnisse: Multiplizieren Sie diesen Wert mit 11,91 und Sie haben meine Einkommsteuerbelastung. Dann konsultieren Sie das Einkommensteuergesetz und so kommen Sie zu meinem steuerpflichtigen Einkommen für 2011. (2) Alle Angaben basieren auf der Ausgabenaufstellung im Brief der Finanzministerin mit Gesamtausgaben von 93,5 Milliarden (inklusive der Ertragsanteile der Länder und Gemeinden und dem Beitrag zur Europäischen Union). Alle anderen Ausgaben lt. Bundesbudgetvoranschlag 2011 und Kunst- bzw. Kulturbericht des BMUKK 2011.
Mehr Texte von Martin Fritz

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