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Eremitage

Die nächste, die Jubiläums-Manifesta Nummer 10 findet im kommenden Jahr weniger in einer Stadt als in einem Museum statt. Die Eremitage in St. Petersburg wird sie beherbergen, eine der größten und repräsentativsten, einflussreichsten und konservativsten Pinakotheken der Welt; die ersten Kommentare stellen auch gleich das Haus als Hort der Reaktion in den Raum. Immerhin hat Vladimir Sokurov vor mehr als zehn Jahren „Russian Ark“ hier gedreht, seine gut 90minütige Reise durch die unendlichen Räume des Winterpalasts, die ganz ohne Schnitt und nachträgliche Manipulation durch das filmische Verfahren auskommt. Das war womöglich eine Art Initiation in eine Ästhetik der Gegenwart. Auf seine Weise passt dazu Rembrandt. Rembrandt mit seiner „Opferung Isaaks“, das einen der Glanzpunkte setzt in der überreichen Kollektion der Eremitage. Es gibt eine zweite Version des Bildes, sie hängt in der Alten Pinakothek in München. Um einen Vergleich der beiden Gemälde soll es im Folgenden gehen. Rembrandt van Rijn, Die Opferung Isaaks, 1635, St. Petersburg, Eremitage Nach allgemeiner Übereinkunft ist das Petersburger Gemälde das frühe, das eigenhändige und entsprechend das gute. Die Inschrift auf dem Münchner Bild „Rembrandt. Verandert. En overgeschildert. 1636.“ gibt durchaus wieder, was eine Zweitfassung ist und wieweit der Meister an ihr beteiligt war. Er hat eine Werkstattarbeit verändert und sie übermalt. Die Unterschiede sind offensichtlich, sie betreffen vor allem die Position und damit die Gestalt des Engels, der dem opferbereiten Alten in die Parade fährt. Statt von der Seite kommt er beim Münchner Bild in respektabler Verkürzung von hinten. Dass dabei sein Gesicht gelitten hat, ist allen sofort aufgefallen. Rembrandt van Rijn, Die Opferung Isaaks, 1636, München, Alte Pinakothek Rembrandt hätte seinen Nimbus umsonst, wäre da aber nicht auch eine eindeutige, eine emphatische, eine krasse Verbesserung eingetreten. Diese Verbesserung betrifft die eine Geste, die die Version der Alten Pinakothek dominiert. Es ist eine Handhaltung, Daumen von den übrigen Fingern weggespreizt, viermal kommt sie vor und ist universal einsetzbar für die vielfältige Dramatik der Szenerie. In dieser Handhaltung wird zugepackt, aber auch losgelassen, wird dem Sohn an die Gurgel gegriffen, und sie taugt als Grußgeste. Meistens ist das Visuelle nicht vieldeutig, sondern nur uneindeutig. Hier dagegen, in dieser kraftvollen Erfindung einer Art bildnerischem Esperanto, dient die einzige Form einer ganzen Palette an Funktionen. Das ist nichts anderes als perfekte PR-Arbeit. Caravaggio gilt gemeinhin als der Modernste vor der Moderne. Doch er war es als Typ, als Peintre Maudit, als jene Sorte Mensch, die ein Sozialfall wäre, würde sie nicht als Künstler durchgehen. Bei Rembrandt verhält es sich andersherum. Als Zeitgenosse war er von einigen Unpässlichkeiten wie einem Konkurs abgesehen durchaus gesellschaftsfähig, dafür hat sein Oeuvre allerhand für sich. Es ist das modernste vor der Moderne. Rembrandt zumindest ist bereit für die Manifesta.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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